Das Leben der Bauern
Um das Jahr 1500 besteht die Bevölkerung zu 80 Prozent aus Bauern, zu drei Prozent aus Adel, der Rest der Bevölkerung sind Städter. Die größte Bevölkerungsgruppe muss die Last des Staates tragen. Die Bauern finanzieren mit ihren Abgaben den Adel und die Geistlichkeit, haben aber gleichzeitig kaum politische Rechte.
Dann verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation. Nach 1450 erholt sich die Bevölkerung von der großen Pest, das heißt, die Bevölkerungszahl wächst. Da es aber nicht mehr zu verteilen als vorher gibt, werden die Leute ärmer. Missernten verschärfen noch die Lage. Trotzdem verlangen die Herrschenden weiterhin hohe Abgaben von den Bauern.
Spannungen zwischen Herren und Bauern
Die Bauern müssen also einen großen Teil ihrer Ernte und ihres Verdienstes abgeben und außerdem noch Dienste leisten. So bleibt ihnen nur wenig zum Leben.
Besonders belastend ist die so genannte "Abgabe im Todesfall": Wenn ein Bauer stirbt, muss seine Familie das beste Gewand und das beste Stück Vieh an den Grundherrn abgeben. Diese Belastung zerstört so manche bäuerliche Existenz.
Viele Bauern leben in "Leibeigenschaft", das heißt: Sie sind die Untertanen und Diener ihres Grundherrn und müssen ihm gehorchen. Eigene Rechte haben sie kaum. Zum Beispiel dürfen sie ihren Wohnsitz nur mit Erlaubnis des Herrn wechseln und nicht einfach heiraten, wen sie wollen. Auch vor Gericht ziehen die Bauern oft den Kürzeren. Und ihre Gemeinde dürfen sie auch nicht selbst verwalten.
Die Bauern waren zu hohen Abgaben verpflichtet
Einfluss der Reformation
Im Jahre 1520 veröffentlicht der ehemalige Mönch und Kirchenkritiker Martin Luther sein Werk "Von der Freyheith eines Christenmenschen". Darin schreibt er unter anderem: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan".
Viele Bauern fühlen sich durch Luthers Worte unterstützt in ihrer Forderung nach einem Ende der Leibeigenschaft. Doch das ist ein Missverständnis: Luther bezieht sich nicht auf das Leben auf Erden, sondern auf das Leben nach dem Tod. Er meint mit "Freiheit" die Freiheit des Menschen, der vor Gott von seinen Sünden erlöst wird – nicht die Befreiung von der Leibeigenschaft.
Denn Luther ist der Meinung, dass weltliche Forderungen nicht mit der Bibel begründet werden dürfen. Er sieht zwar die Probleme der Bauern, aber trotzdem sollen sie seiner Meinung nach ihren Herrn gehorchen.
Martin Luthers Thesen gaben vielen Bauern Mut – ein Missverständnis
Anders sieht das der Reformator Ulrich Zwingli. Die Bibel ist für ihn die Grundlage für ein christliches Leben auf Erden und im Jenseits. Er sieht die Obrigkeit zwar von Gott eingesetzt, aber dennoch an die Vorschriften der Bibel gebunden. Verstößt sie gegen die Regeln, haben die Menschen durchaus das Recht, die Obrigkeit abzusetzen.
Dieses Denken kommt aus der schweizerischen Tradition und Zwingli hat die Bauern in Süddeutschland sehr beeinflusst.
Da das geltende Recht für die Bauern unwirksam ist, beziehen sich die Bauern auf das "göttliche Recht" – ein vollkommen neuer Ansatz. Hier wird die Bibel zum Rechtsbuch.
Die zwölf Artikel
Im März 1525 treffen sich Vertretungen von Bauernschaften aus dem Allgäu, Oberschwaben und dem Bodenseeraum in der Freien Reichsstadt Memmingen. Sie gilt als Hochburg der Reformation – also der Bewegung, die von Martin Luther angestoßen wurde und eine Umgestaltung und Erneuerung der katholischen Kirche fordert.
Die Vertreter der Bauernschaft wollen das "göttliche Recht" einführen. Sie fassen ihre Beschwerden in zwölf Artikeln zusammen, die sie mit der Obrigkeit verhandeln wollen. Ein Verfasser ist der Theologe Christoph Schappeler, ein Schüler Zwinglis.
Die Bauern stellen ihre Forderungen in" Zwölf Artikeln"
Ein zentraler Punkt der "Zwölf Artikel" ist natürlich die Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Bauern wollen aber auch ihren Pfarrer frei wählen dürfen, um sicher zu sein, dass er auch wirklich ihre Interessen vertritt.
Sie fordern bessere Lebensbedingungen, das Recht auf Jagd und Fischfang, sie möchten an der Abholzung der Wälder teilhaben, und die Frondienste an die Herren sollen reduziert werden.
Die Herren reagieren mit Unverständnis und Ironie. Im Bewusstsein ihrer Stärke ziehen sie sich auf das alte Recht zurück und zeigen sich nicht im Geringsten kompromissbereit.
So sind die Fronten verhärtet – und es kommt zum Krieg. Die Bauern organisieren sich in sogenannten "Haufen": Der Begriff "Haufe" kommt aus dem Militär. Es handelt sich um eine Einheit mit klaren Regeln und Dienstgraden. Jeder Haufe hat auch eine eigene Fahne.
Zuerst ziehen die Haufen der Bauern durch das Land. Sie plündern Klöster und stürmen Burgen; es gibt aber zunächst keine Gewalt gegen Personen. Das ändert sich am 16. April 1525.
Der Verlauf des Bauernkriegs
An diesem Tag töten aufständische Bauern in Weinsberg den Grafen Ludwig von Helfenstein und seine Begleiter vor den Toren der Stadt. Doch auch die Herren haben inzwischen aufgerüstet: Auf der einen Seite stehen die Heere der Landesfürsten und das Heer des Schwäbischen Bundes unter der Führung von Truchsess Georg von Waldburg. Auf der anderen Seite stehen die Haufen der Bauern.
Bei Leipheim in Schwaben kommt es zur ersten Schlacht, in der der Leipheimer Haufen besiegt wird. Die Stadt Leipheim muss ein Strafgeld zahlen und die Führer des Haufens werden hingerichtet.
Der Bauernkrieg beginnt am Hochrhein, zieht sich nach Oberschwaben und Franken, erreicht dann den Schwarzwald und das Elsass. Die Kämpfe setzen sich im Rheingau und in Thüringen fort, zum Schluss erreichen sie die Alpenländer.
In Frankenhausen kommt es am 14. Mai 1525 zu einer der bedeutendsten Schlachten während des Bauernkrieges. Hier werden die Aufständischen unter Thomas Müntzer durch ein Fürstenheer vollständig besiegt.
Ein Charakteristikum dieses Krieges ist sein versetzter Ablauf. In manchen Regionen ist der Bauernkrieg schon beendet, während er woanders erst beginnt.
Ein Beispiel: Die Schlacht von Böblingen findet am 12. Mai statt, aber erst am 24. Mai wird Freiburg gezwungen, den Bauern beizutreten. Diese Ungleichzeitigkeit ist eine der Ursachen für die Niederlage der Bauern. Die Herren können die Bauernhaufen nacheinander angreifen und besiegen.
Die Bauern sind hoffnungslos unterlegen
Die Gründe der Niederlage
Die Unterlegenheit der Bauern hat aber auch noch andere Gründe. Sie sind unerfahren im Kampf und den Rittern auch in ihrer Ausrüstung hoffnungslos unterlegen. Mit umgearbeiteten Arbeitsgeräten ziehen sie in den Krieg: mit Dreschflegeln und Sauspießen gegen Rüstungen, Schwerter und Kanonen.
Zwar gelingt es den Bauern, hin und wieder Kanonen zu erobern, diese können sie aber nicht richtig bedienen. Außerdem sind sie schlechter organisiert, sie sind sich nicht einig in ihren Zielen, und es fehlt an einer übergeordneten Leitung.
Dazu kommt, dass die unterschiedliche Sichtweise der Reformatoren die Bauern verunsichert. Luther gegen Zwingli, welcher Weg ist der Richtige? Alles in allem zu wenig Stärke, um den professionellen Heeren der Obrigkeit ebenbürtig zu sein.
Die Folgen des Bauernkriegs
Die Reaktionen der Herren sind grausam. Viele Bauern werden hingerichtet oder verstümmelt. Zudem müssen sie ihre Waffen abgeben und werden zu Schadenersatz verpflichtet. Etwa 70.000 Bauern verlieren während des Bauernkriegs ihr Leben.
Weil die Herren aber auch Angst vor neuerlichen Aufständen haben, kommen sie den Forderungen der Bauern in einigen Regionen aber auch entgegen – zum Beispiel in der Ortenau mit dem sogenannten "Renchener Vertrag". Dort wird die Leibeigenschaft aufgehoben, die Heiratsfreiheit wird möglich gemacht und die Todfallabgabe wird abgeschafft.
So ist der Krieg zwar nicht ganz vergeblich. Aber die endgültige Befreiung der Bauern lässt noch mehr als 250 Jahre auf sich warten. Erst 1807 wird die Leibeigenschaft in Preußen abgeschafft – während der Besatzungszeit durch den französischen Herrscher Napoleon.
Quelle: SWR | Stand: 09.04.2020, 14:20 Uhr