Der Mord an Emmett Till
Im US-Bundesstaat Mississippi reißen im August 1955 weiße Männer den 14-jährigen schwarzen Jungen Emmett Till aus dem Bett, misshandeln ihn brutal und versenken ihn im Fluss. Seine Mörder kommen vor Gericht – und werden freigesprochen.
Doch die Tage der weißen Willkür sind gezählt: Eine schwarze, starke, stolze Bürgerrechtsbewegung wächst heran. Zwischen 1955 und 1968 wird sie ein für alle Mal die USA verändern.
Rosa Parks
Rassentrennung (Segregation) heißt die Fessel, die nach der Abschaffung der Sklaverei weiterhin die weiße Herrschaft im Süden Amerikas garantieren soll. In allen Lebensbereichen sind Schwarze und Weiße getrennt. Sie haben ihre eigenen Schulen, Restaurants, Toiletten. "Getrennt, aber gleich", lautet der Slogan, doch in Wahrheit haben nach wie vor die Weißen das Sagen.
Das gilt auch in Montgomery, Alabama. In öffentlichen Bussen dürfen Schwarze ausschließlich die hinteren Sitze besetzen. Wird es eng, müssen sie auch dort aufstehen und den Weißen Platz machen. Genau das verweigert die schwarze Rosa Parks am 1. Dezember 1955. Sie bleibt sitzen, wird verhaftet und vor Gericht gestellt.
Mit der Verhaftung von Rosa Parks fing alles an
Bürgerrechtsorganisationen, die bis dahin noch wenig Einfluss hatten, nutzen die Situation. Der Women's Political Council ruft zum Busboykott auf.
Fast ein Jahr lang wird keiner der 42.000 Afroamerikaner in Montgomery die öffentlichen Busse besteigen. Sie laufen zu Fuß oder organisieren gegen enorme Widerstände und Schikanen Fahrgemeinschaften. Die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) klagt vor Gericht – und gewinnt.
Am 13. November 1956 bestätigt der Oberste Gerichtshof, dass Rassentrennung verfassungswidrig und die Segregation in Bussen aufzuheben sei. Eine Woche später besteigen Schwarze wieder den Bus und sitzen stolz auch ganz weit vorne.
Martin Luther King
Der Busboykott von Montgomery ist nicht nur ein landesweites Zeichen gegen Rassismus, er bringt auch den mächtigsten Führer der Bürgerrechtsbewegung hervor: Martin Luther King junior. Der 26-jährige Pastor einer Baptistengemeinde in Montgomery wird zum Anführer des Boykotts.
1957 gründet er zusammen mit weiteren Geistlichen die Southern Christian Leadership Conference und wird deren Vorsitzender. Kings Ideale sind tief im Christentum verwurzelt. Unerschütterlich glaubt er an Gerechtigkeit und Aussöhnung. Inspiriert von Mahatma Gandhi will er gewaltfrei, aber mächtig gegen den Rassismus kämpfen.
King fasziniert mit seinen charismatischen Reden die Menschen. Hunderttausende schließen sich seinen inzwischen landesweiten Protesten an. Mit Demonstrationen, Protestmärschen, Sit-ins und anderen Formen des zivilen Widerstandes kämpfen sie für die Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß.
Viele werden dafür verprügelt und ins Gefängnis gesperrt. Viele kommen ums Leben. Doch die Gewalt weißer Rassisten gegen friedliche Demonstranten rüttelt die Öffentlichkeit wach. Die Politiker müssen reagieren.
Die Bürgerrechtsbewegung marschiert gewaltfrei durch die Städte
Die "I have a dream"-Rede
Präsident John F. Kennedy ist der große Hoffnungsträger. Im Juni 1963 gibt er eine Gesetzesvorlage in den Kongress, die die landesweite Rassendiskriminierung abschaffen soll. Kings Ziel ist zum Greifen nah.
Um der Öffentlichkeit weiter das Problem der Rassendiskriminierung ins Bewusstsein zu rufen und konservative Kongressabgeordnete unter Druck zu setzen, organisiert die Bürgerrechtsbewegung einen Marsch auf Washington. Am 28. August 1963 demonstrieren mehr als 200.000 Amerikaner aus allen Bundesstaaten in der Hauptstadt für Gleichheit.
"Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können… Ich habe heute einen Traum!"
Mit diesen Worten spricht Martin Luther King in seiner berühmten Rede "I have a dream" zu den Demonstranten und bewegt eine ganze Nation. Die Veranstaltung wird ein Triumph für den charismatischen Prediger und den gewaltfreien Widerstand.
"I have a dream"
Malcolm X
"Wer hat jemals von einer Revolution gehört, in der sie Arm in Arm laufen und 'We shall overcome' singen? So etwas gibt es in keiner Revolution. Ihr kommt nicht darauf zu singen, weil ihr zu beschäftigt seid, die Fäuste zu schwingen."
Malcolm X, Kings größter Kritiker, spricht für die schwarzen Slumbewohner im Norden Amerikas. Sie haben den langen Weg von den Baumwollfeldern bereits hinter sich. Rassentrennung gibt es im Norden offiziell nicht, doch mangelnde Bildungsmöglichkeiten, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Armut schließen die schwarze Bevölkerung weiterhin aus der Gesellschaft aus.
Weiße sind Teufel – das steht fest für Malcolm X und die religiös-politische Organisation "Nation of Islam", dessen populärster Vertreter er ist. Seine Überzeugung: Um Gerechtigkeit zu erfahren, müssen Schwarze ihren eigenen Kampf führen, notfalls mit Gewalt. Ziel ist nicht die Integration, sondern die Durchsetzung einer eigenständigen afroamerikanischen Gesellschaft.
1964 trennt sich Malcolm X von der Nation of Islam. Im Anschluss an eine Pilgerreise nach Mekka, bei der ihn die Brüderlichkeit unter verschiedenen Hautfarben zutiefst beeindruckt, rückt er mehr und mehr vom schwarzen Nationalismus ab.
Für einen Brückenschlag zu der Bürgerrechtsbewegung unter King reicht es jedoch nicht, da Malcolm X nach wie vor Gewalt als legitimes Mittel ansieht. Am 21. Februar 1965 wird Malcolm X bei einer Versammlung erschossen.
Malcolm X will die Revolution
Ausgeträumt?
Die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung sind groß. 1964 verkündet Präsident Lyndon B. Johnson das Gesetz, in dem die Rassentrennung aufgehoben wird. 1965 tritt ein neues Wahlrecht in Kraft. Vor allem die Schikanen bei der Registrierung als Wähler, wie Schreib- und Lesetests, sollen dadurch unterbunden werden.
Doch auch Martin Luther King muss einsehen, dass die Schaffung neuer Gesetze die Situation der Schwarzen nicht grundlegend ändern kann. Was nützt es, zusammen mit Weißen in einem Raum speisen zu dürfen, wenn einem das Geld fehlt, das Essen zu bezahlen? So werden, neben dem Rassismus, auch die Themen Armut und Krieg Inhalte seines Protestes.
Außerdem fordert er Menschenrechte für alle Hautfarben, nicht mehr nur Bürgerrechte für Schwarze. Die Ausweitung seines Kampfes führt zur Kritik aus den eigenen Reihen. Im Weißen Haus wird er zur unerwünschten Person erklärt. Gleichzeitig formiert sich, inspiriert von Malcolm X, eine schwarze, nationalistische Bewegung: "Black Power". Sie hält Gewalt für ein akzeptables Mittel und zersplittert Kings Anhängerschar weiter.
Am 4. April 1968 wird Martin Luther King erschossen. Die US-Bürgerrechtsbewegung hat viel erreicht, doch Kings Traum ist bis heute nicht Realität.
Als 2008 mit Barack Obama erstmals ein schwarzer Kandidat zur Präsidentschafts-Wahl antritt, sagt Martin Luther Kings Sohn: "Ein Schwarzer im Weißen Haus ist nicht die Erfüllung seines Traums. Vielleicht ein Teil davon. Sein Traum wird erst wahr, wenn alle Amerikaner eine Krankenversicherung haben, alle den gleichen Zugang zu guten Schulen, zu Jobs, zu bezahlbaren Wohnungen."
Unterzeichnung des Bürgerrechtsgesetzes
(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 03.04.2020)
Quelle: WDR