Die Eltern haben sich den Rücken zugekehrt. Das Kind sitzt im Hintergrund und hält seinen Teddy fest umschlungen.

Patchwork-Familien

Für die Kinder: Sich im Guten trennen

Brechen Familien auseinander, geht viel mehr verloren als nur die Liebe zwischen der Mutter und dem Vater. Meist leiden auch die Kinder. Eltern können aber Wege finden, wie die Beteiligten mit der Trennung leichter klarkommen.

Von Silvio Wenzel

Es den Kindern sagen

Wenn sich ein Paar trennt, sollten die Kinder möglichst bald davon erfahren. Leicht ist das nicht. Edith Weiser, die frühere Geschäftsführerin des NRW-Landesverbandes Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), rät dazu, den Kindern gegenüber ganz offen zu sein. Oft passiere ein typischer Fehler: "Die Eltern sagen es ihren Kindern nicht, weil sie ihnen so lange wie möglich die heile Welt bewahren wollen", sagt Weiser.

Erfahren die Kinder von der Trennung, fallen diese jedoch aus allen Wolken. "Sie suchen dann die Schuld bei sich." Wenn die Eltern es dem Kind gemeinsam sagen, sei das am besten. Es sei vor allem wichtig, dem Kind zu erklären, was sich durch die Trennung im Alltag ändern wird.

"Die Kinder müssen eine Vorstellung davon bekommen, was die Trennung für sie konkret bedeutet", sagt Weiser. "Und noch wichtiger: dass sich die Liebe zum Kind nicht ändern wird – auch wenn Mama und Papa fortan nicht mehr zusammenleben."

Gemeinsam statt gegeneinander

Vor allem in den ersten zwei Jahren nach der Trennung ist es für viele Eltern schwierig, miteinander umzugehen. Trotz aller Bemühungen ist es ihnen kaum möglich, eine gemeinsame Elternrolle anzunehmen. "Es ist für alle das Beste, wenn es den Eltern gelingt, sich kooperativ zu verhalten, sich gegenseitig zu unterstützen", sagt Sabine Walper. Sie ist Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut in München.

Für viele sei dieser Weg einfach nicht möglich. Es gebe Verletzungen, über die niemand eine Brücke bauen könne, sagt die Psychologin. Zum Wohle der Kinder sollten sich die Eltern dennoch um einen möglichst konfliktfreien Umgang bemühen. Geht es nicht miteinander, sollten sie eine parallele Elternschaft anstreben.

"Da können sie dann alle Berührungspunkte so weit wie möglich minimieren – und auch Sendepausen sind dann möglich", sagt Walper. Ganz wichtig sei es, klare Verabredungen zu treffen, an die sich sowohl die Mutter als auch der Vater halten. Beide könnten etwa über SMS oder per E-Mail Dinge absprechen. Die Kommunikation ist dann oft sachlicher als im persönlichen Gespräch.

Guter Partner: nein – guter Vater: ja

Trotz aller Bemühungen kommt es immer wieder zum Streit. Früher ging es um die Beziehung, heute geraten die Getrennten wegen des Nachwuchses aneinander. "Es ist wichtig, die Paarebene von der Elternebene zu lösen", sagt Edith Weiser. In Konflikten würden diese beiden Ebenen häufig miteinander vermischt.

In den Konflikten solle jeder für sich überlegen, was er oder sie künftig anders machen könne. Zudem gebe es die Möglichkeit, andere um Rat zu fragen, etwa die Freunde. Oder das ehemalige Paar beginnt gemeinsam eine Mediation.

Auf die Kinder hören

Was das angeht, sind sich die meisten Eltern bei der Trennung einig: Alles soll zum Wohl der Kinder geregelt werden. Aber was wünschen sich diese eigentlich genau? "Der größte Wunsch ist, dass Mama und Papa wieder zusammen sind", sagt die Familientherapeutin Gisela Hötker-Ponath, die eine Praxis in Eichenau führt.

"Kinder brauchen viel Zeit, um zu verstehen, was geschehen ist." Sie wünschten sich meist, dass beide Eltern trotz der Trennung ein Teil ihres Lebens blieben. Egal, was gerade zwischen den Erwachsenen passiere.

"Fast alle Kinder formulieren den Wunsch, regelmäßig Kontakt zu beiden Eltern zu haben und dass die Streitigkeiten aufhören", sagt die Sozialpädagogin. Es sei wichtig, dass die Erwachsenen die Bedürfnisse des Kindes akzeptierten. "Die meisten Kinder schaffen es so, sich innerhalb von zwei Jahren an die neue Situation zu gewöhnen", sagt Hötker-Ponath.

Kind hält links und rechts je eine Hand seiner Eltern.

Vater und Mutter sind wichtig

Heute hier und morgen dort

Im Trennungsstreit geht es hin und her: Bei wem wohnen die Kinder? Wer darf sie wie oft sehen? Die meisten Experten sind sich hier einig: Das perfekte Modell gibt es nicht. "Im Grunde gibt es nur ein Modell, das zum Erfolg führen kann: das Verhandlungsmodell", sagt der Psychotherapeut Edmund Faust, der sich in der Vätergruppe Kassel e. V. engagiert.

Es sei wichtig, sich immer wieder gemeinsam an einen Tisch zu setzen und die eigenen Wünsche zu äußern. "Alle sagen, was sie möchten, sowohl die Eltern als auch der Fünf- oder Sechsjährige", sagt Faust.

"Du machst es falsch!"

Immer nur Pizza, zu viel Fernsehen, zu spät ins Bett. Sie hat oft das Gefühl, dass er vieles falsch mache mit den Kindern – und er denkt ähnlich über sie. Die Streitpunkte sind fast beliebig.

"Selbst Eltern, die noch ein Paar sind, fällt es oft schwer, den Umgang des anderen mit dem Kind zu akzeptieren", sagt Michael Naumann-Lenzen. Der Kinder- und Jugendtherapeut aus Hennef hat oft mit Paaren zu tun, die sich trennen. Auch wenn ein Mann nicht der perfekte Vater sei – er sei nunmal der Vater des Kindes.

"Wenn die Kinder beim Vater immer nur Pizza essen, aber eine gute Zeit mit ihm haben, dann ist das genau das, was die Kinder brauchen", sagt Naumann-Lenzen. Es gehe nicht darum, ein perfekter Vater zu sein. Es reiche, wenn er ein "good enough father" sei – also ein "Vater, der gut genug ist", wie es im Fachjargon heiße.

Wenn er sich also um die Kinder kümmert und sich diese bei ihm wohlfühlen – und dies gelte auch für Mütter. "Wenn es den ehemaligen Partnern gelingt, das Verhalten des anderen zu akzeptieren, haben viele Konflikte nicht mehr so eine große Bedeutung", sagt Naumann-Lenzen.

Ein Vater liegt mit seiner Tochter auf dem Sofa. Das Kind telefoniert, er arbeitet an seinem Laptop

Feste Regeln bei beiden Elternteilen

Loyalitätskonflikte vermeiden

"Ich verstehe deinen Vater auch meistens nicht." Viele Getrennte kennen das: Der Ex-Partner wird in ein schlechtes Licht gerückt. "Die Eltern sollten vermeiden, den anderen vor dem Kind schlechtzumachen", sagt Michael Naumann-Lenzen.

Ganz vermeiden lasse sich das meist nicht. "Wer sich selbst dabei ertappt, sollte sofort nachbessern und die eigene Aussage relativieren", sagt der Pädagoge. Die Kinder würden sonst dazu verleitet, das Verhalten des anderen Elternteils zu bewerten. Sie geraten in einen Loyalitätskonflikt. Die Kinder haben das Gefühl, sie müssten sich etwa für Mama entscheiden – und nur zu ihr halten.

"Eltern sollten, was das angeht, sehr wachsam sein", sagt Naumann-Lenzen. "Das Kind sollte immer das Gefühl haben, dass es in Ordnung ist, auch den anderen lieb zu haben."

Ein Kind wird von seinem Vater abgeholt. Die Mutter steht in der Tür. Das Kind winkt seiner Mutter zu.

Kinder sollten sich nicht entscheiden müssen

(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 26.03.2020)

Quelle: WDR

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