Grafik: Inkaherrscher vor einem Tempel neben ihm ein Konquistador mit blankem Schwert.

Parasiten

Parasiten in der Geschichte

Parasiten sind allgegenwärtig. Sie haben unsere Mode, unsere Kultur und unsere Geschichte enorm beeinflusst. Hier ein paar Beispiele.

Von Cora Richter

2000 vor Christus: Der Fadenwurm des Pharaos

Eine Sandstein-Statue von Pharao Mentuhotep II. zeigt den Herrscher mit grotesk angeschwollenen Unterschenkeln. Solche Schwellungen sind eine typische Folge der Elephantiasis. Litten also bereits die alten Ägypter vor 4000 Jahren unter dieser Krankheit?

Bis heute ist die Krankheit "Elephantiasis" vor allem in Entwicklungsländern verbreitet. Verantwortlich dafür ist ein winziger Parasit, ein Fadenwurm. Dieser kann durch einen Mückenstich auf den Menschen übertragen werden.

4. Jahrhundert: Läuse als "Perlen Gottes"

"Die Reinlichkeit des Körpers und des Kleides bedingt die Unreinheit der Seele", so das Credo der heiligen Paula von Rom. Wahre Christen hielten damals nichts vom Waschen: je schmutziger und übelriechender, desto heiliger. Schließlich galt es jegliche körperliche Gelüste im Keim zu ersticken.

Läuse galten als "Perlen des lieben Gottes". Und fiel einer der Krabbler herunter, setzte ihn so mancher Gläubige voller Andacht wieder aufs Haupt!

1170: Der Erzbischof von Canterbury

Der Leichnam des frisch verstorbenen Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket, ist in der Kathedrale aufgebahrt. Während der Tote langsam auskühlt, flüchten solche Massen an Läusen aus seinen Gewändern, "als brodele das Ungeziefer über wie Wasser aus einem kochenden Kessel". Der Anblick soll die Fassung der umstehenden Trauergemeinde auf eine harte Probe gestellt haben.

Mittelalter und Pest

Die Mediziner des Mittelalters sehen in den Miasmen, wie damals die sprichwörtlich "verpestete Luft" oder der "Pesthauch" genannt werden, tatsächlich die Ursachen für die Pest. Da angeblich vor den todbringenden Dünsten nur noch stärkere Gerüche schützen können, tragen die Pestärzte kräutergefüllte Schnabelmasken und einen Stock zum Fernhalten von Erkrankten und werden so zum "Doktor Schnabel".

Übrigens: Die Masken haben im venezianischen Karneval bis heute überlebt. Und das berühmte "Kölnisch Wasser", das von den italienischen Farina-Brüdern um 1700 erfunden wurde, diente ursprünglich ebenfalls der Abwehr von Miasmen.

15. Jahrhundert: Fleckfieber in Amerika

In Spanien tauft man das von Läusen übertragene Fleckfieber wegen seines rötlichen Hautausschlages "Tabardillo" ("rotes Mäntelchen"). So niedlich es klingt, Tabardillo wird zu einem furchtbaren Verbündeten bei der Eroberung der Neuen Welt.

Wo immer die Konquistadoren bei ihrer blutigen Suche nach Gold und Silber in Süd- und Mittelamerika auftauchen, tötet das Fleckfieber noch zahllose weitere Menschen. Fast ein Drittel der Ureinwohner wird von der Seuche dahingerafft, die ihrem Immunsystem unbekannt ist. Allein unter den Azteken soll es im Jahr 1576 fast zwei Millionen Todesopfer gegeben haben.

17./18. Jahrhundert: Barockperücken voller Ungeziefer

Dank allgegenwärtiger Wanzen, Läuse und Flöhe kratzen sich im Barock Volk und Adel ganz ungeniert: die einen per Hand, die anderen mit edlen Elfenbeinkrallen. Manche hochgestellte Dame trägt sogar kleine Flohfallen mit Honig oder Blut unter dem Rock. Doch mehr als lästige Blutsauger sieht man in den ungebetenen Gästen nicht.

Als der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. die Allongeperücke höchstpersönlich zur neuen Mode erhebt, schafft er den Blutsaugern damit ein wundervolles neues Zuhause mit herrlichem Ausblick.

1812: Napoleon und Fleckfieber in Mainz

Bei seinem Russlandfeldzug verliert Napoleon mehr Soldaten durch das Fleckfieber als im Kampf. Die Folge: Das Heer muss sich zurückziehen und bringt das Fleckfieber nach Mainz, damals französische Festungsstadt. Ein Zehntel der Mainzer Einwohner sterben bei der Epidemie.

Noch heute nennen die Franzosen das Fleckfieber "Mainzer Typhus" ("le typhus à Mayence". Napoleon selbst bleibt verschont. Da er sich nicht noch einmal mit der Krätze infizieren möchte, hat er eine lederne Reisebadewanne dabei – die er auch fleißig nutzt.

1917-1922: Sozialismus und Läuse

Nach der Oktoberrevolution und den anschließenden Bürgerkriegswirren während und nach dem Ersten Weltkrieg erkranken rund 25 Millionen Russen am Fleckfieber. Fast drei Millionen Menschen sterben.

Die Auswirkungen der Epidemie sind so katastrophal, dass Wladimir Iljitsch Lenin den Erfolg seiner Revolution auf der Kippe sieht, was ihn zur dramatischen Prophezeiung veranlasst: "Entweder besiegen die Läuse den Sozialismus, oder der Sozialismus besiegt die Läuse. "

1949: Bilharziose

1949: Mao Zedong’s Soldaten bekommen Schwimmtraining für die Eroberung Taiwans. Trainiert wird in Süßwasserkanälen. Doch in diesen leben auch Japanische Pärchenegel. Die Rotarmisten infizieren sich, eine Bilharziose-Epidemie bricht aus.

30.000 bis 50.000 Mann streckt diese nieder – mit heftigen Durchfällen. So verschiebt sich die geplante Invasion um ein halbes Jahr. Im Juni 1950 bricht der Koreakrieg aus und die 7. US-Flotte bezieht Stellung vor Taiwan. So bleibt die Insel bis heute eigenständig.

(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 19.07.2019)

Quelle: SWR

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