Prothesen

Beine für die Dritte Welt

Viele Amputierte in den Entwicklungsländern können sich keine teuren Hightech-Prothesen leisten. Und doch kann ihnen geholfen werden.

Von Silvio Wenzel

Hohe Kosten für Prothesen

Bis zu 20.000 Euro kann eine hochmoderne Beinprothese kosten. In Deutschland übernehmen die Krankenversicherungen in den meisten Fällen die Kosten für eine solche Prothese. Doch in anderen Teilen der Welt sind Prothesen für viele Menschen unerschwinglich. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es weltweit jedes Jahr ungefähr 200 Millionen Amputationen gibt, viele davon in der Dritten Welt.

Oft steht nach so einer Operation die Existenz der gesamten Familie auf dem Spiel. Deshalb haben es sich einige Hilfsorganisationen zur Aufgabe gemacht, diesen Menschen zu helfen.

Prothesen sind für Opfer von Kriegen sehr wichtig | Bildquelle: wdr

Im Krieg verstümmelt

Eine dieser Organisationen ist das "Internationale Rote Kreuz" (IKRK). Dieses hat sich vor allem die Hilfe für die Opfer von bewaffneten Konflikten und Kriegen auf die Fahne geschrieben. Das sind häufig auch Menschen, die einen Arm oder ein Bein durch eine Landmine verloren haben. Diese heimtückischen Waffen lauern oft noch lange nach dem Ende eines Krieges im Boden.

Seriöse Schätzungen sprechen von 24.000 Minenopfern in jedem Jahr. Rein statistisch tritt somit alle 22 Minuten irgendwo auf der Welt ein Mensch auf eine Mine. In den vergangenen Jahren gab es die meisten Opfer in Kolumbien, Kambodscha und Afghanistan.

Billig und trotzdem gut

Für das Internationale Rote Kreuz ist das eine große Herausforderung. Um viele Menschen versorgen zu können, sollten die Prothesen möglichst wenig kosten. Gleichzeitig müssen sie aber zuverlässig und einigermaßen bequem sein. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Hilfsorganisation eine zufriedenstellende Lösung gefunden hat. Inzwischen kann sie auf viele Jahre Erfahrung zurückgreifen.

1979 richtete sie die ersten beiden orthopädischen Zentren ein. Zunächst importierte sie die Prothesen aus dem Ausland. Doch das wäre auf Dauer zu teuer gewesen. So entwickelte die Hilfsorganisation ein eigenes Herstellungsverfahren und stellt nun seit 1993 alle Komponenten der Prothesen aus einem preiswerten Kunststoff her – Polypropylen.

Einfach, aber zuverlässig | Bildquelle: dpa Picture-Alliance/Zentralbild/Jens Kalaene

Einzelteile reisen um die Welt

Alle Einzelteile für die Prothesen werden in einer Fabrik in der Nähe von Genf hergestellt. Hier entstehen Füße, Kniegelenke, Ober- und Unterschenkel aus Polypropylen. Diese Einzelteile machen sich dann auf die Reise in 24 Länder.

Erst dort werden sie individuell für jeden Patienten zusammengebaut, zugeschnitten auf die persönlichen Bedürfnisse. So bekommen viele Menschen Prothesen, die sie lange nutzen können und die nicht teuer sind. Weniger als 150 Euro kostet eine solche Prothese. Diese finanziert das Internationale Rote Kreuz mit Spendengeldern.

Viele arme Menschen können Prothesen nicht selbst bezahlen | Bildquelle: dpa Picture-Alliance/Zentralbild/Thomas Schulze

Mehr als nur Prothesen

Im Laufe der Jahre hat die Hilfsorganisation viele Projekte ins Leben gerufen. 1979 begann alles mit zwei orthopädischen Zentren. Seitdem hat sie mehr als 100 Projekte in knapp 40 Ländern aufgebaut oder wenigstens unterstützt. Hunderttausenden konnte in dieser Zeit mit Krücken, Prothesen oder Rollstühlen geholfen werden.

Doch die orthopädischen Zentren des IKRK sind mehr als bloße Montagewerkstätten. Vielmehr werden dort die Patienten über lange Zeiträume begleitet. Denn mit einer neuen Prothese ist die Behandlung lange nicht abgeschlossen. Deshalb ist es immens wichtig, dass auch Rehabilitationsmaßnahmen und eine individuelle physiotherapeutische Betreuung angeboten werden.

Besonders wichtig ist das für betroffene Kinder. Denn sie benötigen alle sechs Monate eine neue Prothese.

Das Konzept des IKRK hat auch viele andere überzeugt. Mehr als 70 Hilfsorganisationen bestellen die Prothesen für ihre Projekte in der kleinen Fabrik in der Nähe von Genf.

Hunderttausenden wurde schon geholfen | Bildquelle: dpa Picture-Alliance/Les Stone

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 24.01.2020)