Audrey Hepburn in "Breakfast at Tiffany's" (1961)

Mode

Schönheit

Was als schön gilt, ist abhängig vom Zeitgeist der jeweiligen Kultur. Aber auch innerhalb einer Kultur unterscheiden sich die Schönheitsideale.

Von Annika Erbach

Schönheit im Tierreich und bei Menschen

Charles Darwin war der erste Forscher, der sich über die Rolle der Schönheit bei der Entwicklung der Lebewesen äußerte. In der Tierwelt hatte er beobachtet, dass Männchen meistens das schönere Geschlecht sind. Sie müssen auf sich aufmerksam machen durch schickes Gefieder, Balztänze, Röhren, Gehörn und anderes Gebaren. Die Weibchen sehen dagegen oft schlicht aus, kümmern sich aber um den Nachwuchs.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Pfau: Das Männchen beeindruckt mit seinem großen, aber unpraktischen Rad, während das Weibchen eher unscheinbar wirkt. Das konnte nach Darwins Ansicht nur das Resultat eines enormen Selektionsdrucks gewesen sein.

Männliche Pfauen, so folgerte er, müssen schön sein. Sonst wählen die Hennen sie nicht als Sexualpartner, und es findet keine Fortpflanzung statt. Für Darwin war die Theorie der Schönheit eine Theorie der weiblichen Wahl und der weiblichen Macht.

Pfau

Nur die Schönsten finden einen Partner

Beim Menschen hingegen scheint die Frau ein Pechvogel der Evolution zu sein, geschlagen mit einer Doppelbelastung. Sie ist diejenige, die schwanger wird und meist auch die Kinder versorgt. Trotzdem soll sie auch diejenige sein, die sich für ihren Partner schön macht. Aber stimmt das überhaupt? Ist die Frau der Pfau und damit das schönere Geschlecht?

Die englische Psychologin Susie Orbach ist davon überzeugt: "Alle 15 Minuten denkt eine Frau über ihren Körper nach. Es ist wie eine Eintrittskarte in unsere moderne Welt, sich um seinen Körper zu sorgen, ihn so zu konstruieren, dass er einen bestimmten Look hat", sagt sie.

Die Psychologin und Schönheitsforscherin Nora Ruck sieht das etwas anders. Die Frau sei nicht immer das schönere Geschlecht gewesen, sagt sie. "In der griechischen Antike wurde das Idealbild von Schönheit durch den Mann verkörpert." Auch später noch hätten Männer sich genauso herausgeputzt wie Frauen.

Gemälde mit dem Porträt von Ludwig XIV.

Genoss den Luxus: der "Sonnenkönig"

Erst in der Moderne mit der Herausbildung der Arbeitsteilung habe sich dies verändert, betont Ruck. Männer verdienten das Geld, Frauen repräsentierten das Haus. Dazu gehöre es auch, hübsch auszusehen.

Dass ein schöner Mensch auch ein gesunder Mensch ist, ist eine neuere Theorie von Evolutionsbiologen; Darwin sah nur einen losen Zusammenhang zwischen Schönheit und Gesundheit. Demzufolge sollen Schönheitsmerkmale wie Symmetrie, Durchschnittlichkeit, gesundes Haar oder schöne Haut körperliche Fitness anzeigen und ein fitter Partner gesunden Nachwuchs garantieren. Eine umstrittene Theorie, die mehrere Studien nicht bestätigen konnten.

Menschen erlernen, was "schön" ist

Woher wissen Menschen eigentlich, was schön ist? Gibt es so etwas wie einen Schönheitssinn? Das fragten sich Forscher und machten einen Test mit Babys, weil diese als unvoreingenommen gelten. Sie zeigten den Babys Fotos von Menschen, die als attraktiv und weniger attraktiv gelten. Es zeigte sich: Die Babys betrachteten diejenigen Fotos von Menschen signifikant länger, die auch von Erwachsenen als attraktiver eingeschätzt wurden.

Ist einem Menschen also bereits in die Wiege gelegt, was er als schön empfindet? So einfach lasse sich das nicht ableiten, sagt Psychologin Ruck. Sie erklärt das menschliche Schönheitsempfinden anders: "Das Wissen darüber, was schön ist, lernt man so wie man alle anderen Normen auch lernt."

Jeder beobachte die Menschen um sich herum, werde für bestimmte Verhaltensweisen kritisiert oder gelobt und lerne so nach und nach, was "schön" ist. Menschen lernten voneinander und sozialisierten sich gegenseitig. Dabei seien Gleichaltrige besonders wichtig, betont die Psychologin.

Babygesicht

Babys betrachten Schönes länger als Unattraktives

Aber auch Medien spielen eine wichtige Rolle beim Schönheitsempfinden. Nach dem Lesen von Frauenzeitschriften fühlten sich viele Frauen unwohl mit ihrem Körper, berichtet Attraktivitätsforscherin Ruck. Und Männer, die häufig mit unrealistischen Frauenbildern konfrontiert werden, hätten höhere Erwartungen an die Schönheit von Frauen.

In den Medien immer präsent ist die Aufforderung, an sich zu arbeiten. Werbungen und Fernsehsendungen wie Abnehm- und Modelshows rufen mehr oder weniger versteckt zur Körperarbeit auf. Zum Beispiel gewinnt eine Modelshow in der Regel das Mädchen, das am meisten und härtesten an sich gearbeitet und sich am weitesten entwickelt hat – und nicht das Mädchen, das für das schönste gehalten wird.

Schön zu sein bereitet in unserer Gesellschaft Druck. "Körperliche Schönheit hat sehr viel damit zu tun, dass man sich mit den Augen anderer sieht", erklärt Schönheitsforscherin Ruck. "Wir haben vergessen, uns von innen zu sehen und konzentrieren uns zu sehr darauf, welches Bild wir nach außen hin abgeben", urteilt sie.

Schönheitsvorstellungen wandelten sich immer wieder

Dies ist allerdings kein Phänomen unserer heutigen Zeit, wie die Geschichte der Schönheit zeigt. Üppige Frauen, geschminkte Männer, blasse Haut und Silikon in den Brüsten – Schönheitsideale haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. Was heute als schön gilt, verrät ein Blick auf die Laufstege und in die Modemagazine: Schlankheit ist das gängige Schönheitsideal.

Die Figur erscheint als Ausdruck intensiver Körperarbeit. Dank vielfältiger Möglichkeiten kann heute nahezu jeder seinen Körper selbst gestalten: Strahlend weiße Zähne müssen nicht mehr gottgegeben sein, ein schiefer oder verfärbter Zahn ist schnell korrigiert. Falten, kleine Brüste, ein paar Speckröllchen zu viel? Schönheitschirurgen schaffen Abhilfe. Und bei einem fahlen Teint, Narben oder Pickeln wissen Kosmetikerinnen Rat.

"Schönheit ist machbar", erklärt Forscherin Ruck. Wichtig sei dabei aber Natürlichkeit: "Nichts muss echt sein, aber es soll echt aussehen."

Im Laufe der Zeit haben Schönheitsideale sich immer wieder verändert. Zum Beispiel galt ein schlanker Körper nicht immer als schön. Vor 25.000 Jahren etwa, in der Altsteinzeit, symbolisierte die Figur der "Venus von Willendorf" das damalige Schönheitsideal: üppig und fernab der Gardemaße 90-60-90.

Venus von Willendorf

Altes Schönheitsideal: Venus von Willendorf

Vor 3000 Jahren im alten Ägypten galt wiederum die Maxime: Ein schöner Mensch hat möglichst schmal zu sein. Daher gab es schon damals Diäten – und Magersüchtige. Und noch einen Trend nahmen die alten Ägypter vorweg: Ihnen gefielen komplett enthaarte Körper.

2000 Jahre später war Körperbehaarung dann wieder angesagt: Die Assyrer trugen kunstvoll geflochtene Bärte. Wer keinen üppigen Bartwuchs hatte, schnallte sich einfach einen künstlichen Bart um.

Im alten Rom waren blonde Haare sehr begehrt. Mit Urin und ätzenden Flüssigkeiten wurden die Haare gebleicht. Das sollte besonders edel aussehen, und die Menschen so tapfer und willensstark erscheinen lassen wie die wilden, blonden Germanen.

In der Renaissance war das Kindchenschema angesagt: große Augen, große Köpfe und eine hohe Stirn. Dafür zupften sich die Damen sogar ihren Haaransatz. Auch Männer schminkten sich in Zeiten der Renaissance, damit der Teint vornehm blass war. Ihre Haare trugen sie blondgelockt und lang – wie die Frauen.

Junge mit blonden Haaren

Blonde Haare galten schon im alten Rom als schön

Im Barock wurden die Leiber wieder fülliger. Ein dicker Po avancierte zum Schönheitsideal. Doch lange hielt der Trend nicht an. Schließlich griffen Frauen zum Korsett und schnürten sich eine Wespentaille.

In den 1920er-Jahren kamen Frauen androgyner daher: Mit Bubikopf und flachen Brüsten veränderte sich das Erscheinungsbild der Frau in den westlichen Gesellschaften. Ab den 1950er-Jahren begannen dann Medien Schönheitsideale zu formen und postulierten Gesichter wie die von Elvis Presley, James Dean, Grace Kelly, Marilyn Monroe, Audrey Hepburn oder Romy Schneider als schön.

Zehn Jahre später wurde es besonders schmal um die Hüften und das superdünne Model Twiggy eroberte die Modewelt. Männer trugen zu dieser Zeit lange Haare, um gegen das biedere Establishment zu rebellieren. Haarig kamen auch die Achtziger daher, denken wir nur an die Achseln von Sängerin Nena. Eine heute völlig verpönte Mode. Bestehen bleib jedoch der Trend zum Schlanksein.

Schönheitsideale unterschieden sich auch innerhalb einer Kultur

Schönheitsideale variieren nicht nur von Kultur zu Kultur, sondern auch innerhalb einer Kultur. Denn einkommensstarke und einkommensschwache Schichten versuchten sich voneinander abzugrenzen, berichtet Schönheitsforscherin Ruck.

Aus diesem Grund entwickelt jede Schicht ihre eigenen Schönheitsmerkmale. Während einkommensschwache Schichten ihre Körperarbeit plakativ zeigen – zum Beispiel durch auffällige Fingernägel und künstliche Bräune – geben sich einkommensstärkere Schichten eher natürlich.

Wie echt diese Natürlichkeit am Ende ist, ist nebensächlich. Wichtig ist Schlankheit. Sie gilt als Zeichen für Mäßigung.

Daniela Katzenberger isst Popcorn

Daniela Katzenberger verkörpert ein Schönheitsideal

Schöne Menschen werden oft bevorzugt behandelt

Schöne Menschen seien erfolgreicher und zufriedener, heißt es oft. Doch stimmt das? Verschiedene Wissenschaftler sind dem nachgegangen und auf spannende Ergebnisse gestoßen.

An der Universität von Texas beobachteten Psychologen 144 Mütter mit ihren neugeborenen Babys. Sie protokollierten das Verhalten jeder einzelnen Mutter eine halbe Stunde lang. Außerdem ließen sie Studierende die Attraktivität der Babys anhand von Fotos beurteilen.

Das Ergebnis des Tests: Schöne Babys wurden mehr liebkost. Die Mütter schöner Babys knuddelten ihren Nachwuchs häufiger als die Mütter unattraktiver Babys. Diese beschäftigten sich eher mit der Pflege und Versorgung.

Andere Tests ergaben, dass Lehrer die Aufsätze von gut aussehenden Schülern besser benoten. Und auch im Berufsleben beeinflusst das Aussehen die Höhe des Einkommens. Aber leisten schöne Menschen tatsächlich mehr oder setzen Menschen "schön" gleich mit "gut"?

Zwar beurteilen Menschen andere Menschen innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde nach ihrem Aussehen, ihrer Kleidung, ihrem Geruch. Das erleichtert die Orientierung. Schönheitsforscherin Ruck warnt jedoch vor einer Stereotypisierung. "Lookism" nennen sie und andere Wissenschaftler die Diskriminierung aufgrund des Aussehens.

Schönheit als Indikator für den Wert einer Person – diese Annahme stellen sie gleich mit anderen Diskriminierungsformen wie Sexismus und Rassismus.

Eine junge schöne Geschäftsfrau steht lächelnd vor einer Gruppe Kollegen

Schöne Menschen gelten als erfolgreicher

Quelle: SWR | Stand: 04.12.2020, 12:00 Uhr

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