Afd, Kathrin Oertel und Lutz Bachmann

Rechtspopulismus

Wie Rechtspopulismus funktioniert

Rechtspopulistische Parteien unterscheiden sich zwar im Ländervergleich und verfolgen selten ein und dieselbe Weltanschauung. Trotzdem gibt es gemeinsame Elemente, die die meisten rechtspopulistischen Bewegungen teilen.

Von Thies Marsen

Was ist Rechtspopulismus?

Eine einheitliche Definition von Rechtspopulismus gibt es nicht. Denn rechtspopulistische Organisationen sind von Land zu Land höchst unterschiedlich. Die verschiedenen Bewegungen und Parteien weisen nur selten eine stringente Ideologie auf.

Das Spektrum des Rechtspopulismus reicht von Parteien, die ihre Wurzeln im Rechtsextremismus haben, bis zu solchen, deren Ursprung eher wirtschaftsliberal oder konservativ ist. In Deutschland zählt die AfD zu den rechtpopulistischen Parteien.

Folgende ideologische Kernelemente sind bei den meisten rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen zu finden.

Polarisieren und Moralisieren

Der kleinste gemeinsame Nenner populistischer Bewegungen ist die Polarisierung und Moralisierung von Politik. Das heißt: Statt Gemeinsamkeiten herauszustellen und ein gesellschaftliches Miteinander zu fördern, wird ganz gezielt versucht, die Gesellschaft zu spalten – besonders durch die Ausgrenzung bestimmter Minderheiten.

So wird ein "Wir" gegen "die Anderen" in Stellung gebracht. Das "Wir" ist meist ethnisch, kulturell oder religiös definiert. Zugleich wird der gesellschaftliche Diskurs moralisch aufgeladen, indem Untergangsszenarien beschworen und politische Gegner dämonisiert werden.

"Volk" gegen "Elite"

Ein weiteres zentrales Kennzeichen rechtspopulistischer Bewegungen: Sie konstruieren und beschwören einen Gegensatz zwischen "Volk" und "Elite", wobei sie sich selbst als Alleinvertreter eines vermeintlich einheitlichen "Volkes" mit einem einheitlichen "Volksinteresse" darstellen. Ein Beispiel war die Wahlkampfparole des inzwischen verstorbenen österreichischen Politikers Jörg Haider: "Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist."

Dabei scheint es weder die Agitatoren noch ihre Anhänger zu stören, dass viele rechtspopulistische Führungsfiguren genau aus jenem Milieu stammen, das sie selbst als "Elite" bezeichnen.

Als Feinde, gegen die das Volk mobilisiert werden soll, dienen einerseits Minderheiten wie Flüchtlinge oder Muslime, anderseits das "Establishment", welches angeblich die "nationalen Interessen" verkauft habe. Wobei die Vorstellungen darüber, an wen diese "Interessen" verkauft worden sein sollen, höchst unterschiedlich ausfallen: An die Europäische Union, an den Islam, an die USA oder gleich an "die US-amerikanische Ostküste" – eine moderne Version der altbekannten "jüdischen Weltverschwörung".

Islamfeindlichkeit

Die Vorläufer rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien entstanden in den 1970er-Jahren in Skandinavien. Für sie spielte die Islamfeindlichkeit noch kaum eine Rolle.

Das hat sich insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geändert. Im Gegensatz zum klassischen Rassismus, der bestimmte Menschen oder vermeintliche "Rassen" für höher- oder minderwertiger als andere hält, ist die Islamfeindlichkeit der Rechtspopulisten eher kulturell begründet.

Nicht Rassen oder Menschengruppen werden als minderwertig klassifiziert, sondern eine bestimmte Kultur beziehungsweise Religion. So wird der Islam per se als rückständig, frauenfeindlich, als nicht "zu uns passend" bezeichnet. Der holländische Rechtspopulist Pim Fortuyn spitzte es zu, indem er einerseits den Islam kritisierte, andererseits aber erklärte, dass er nichts gegen Muslime habe: "Ich gehe sogar mit ihnen ins Bett!"

Oftmals ist die kulturalistische Argumentation allerdings nur vorgeschoben, dahinter steckt der altbekannte Rassismus.

Hass auf Medien – die "Lügenpresse"

"Lügenpresse" ist eines der Schlagwörter der Rechtspopulisten und benutzt, um bestimmte Medien zu verunglimpfen. Dass Medien besondere Hassobjekte sind, liegt daran, dass sie kritisch über Rechtspopulisten berichten und aufklären.

Außerdem gehört es zur Strategie der Rechtspopulisten, einen Kampf um die Sprache zu führen. Insbesondere gegen angebliche "Denkverbote" und gegen eine "political correctness". Rechte Politiker propagieren seit Jahren, dass zunächst der "vorpolitische Raum" zu erobern sei – also Medien, Universitäten und so weiter –, um die gesellschaftliche Debatte zu bestimmen. Das sei die Voraussetzung für eine spätere Machtübernahme.

Feindbild EU und Europa

Bei vielen rechtspopulistischen Gruppen ist die Ablehnung der Europäischen Union (EU) und des Euro zentraler Bestandteil ihrer Politik. Einige rechtspopulistische Parteien in Europa haben sich sogar ausdrücklich als Anti-EU-Parteien gegründet.

Dabei werden tatsächliche und angebliche Defizite gegen die EU vorgebracht: etwa Bürokratie, Demokratiedefizit und die EU-Schuldenkrise. Die Regierungen der europäischen Nationalstaaten werden beschuldigt, nationale Interessen an eine vermeintlich "volksfeindliche" Europäische Union verkauft zu haben.

Nationalismus

Passend zur Forderung nach einem Austritt aus der EU gehört zu den Kernelementen praktisch aller rechtspopulistischen Parteien in Europa auch die Forderung nach einer "Rückerlangung staatlicher Souveränität". Anstelle der EU soll wieder ein "Europa der Nationalstaaten" entstehen.

Den Einheimischen eines Landes soll Vorrang eingeräumt werden gegenüber Migranten oder Flüchtlingen. Die heimische Wirtschaft soll bevorzugt und nach außen abgeschottet werden. Die Politik der Regierung soll sich noch mehr an "nationalen Interessen" orientieren. Die Rechtspopulisten wollen internationalen Organisationen wie etwa der Nato den Rücken kehren und dafür die nationalen Armeen aufrüsten.

Autoritäre Ordnung

Zwar fordern viele rechtspopulistische Parteien angeblich "mehr Demokratie", zum Beispiel in Volksabstimmungen. Zugleich aber wollen sie bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Migranten, Flüchtlinge und Muslime ausgrenzen und ihnen zentrale Rechte abnehmen.

Viele wollen die Religionsfreiheit einschränken – etwa durch das Verbot von Moscheen und Minaretten. Sie wollen Grundrechte wie das Asylrecht oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit einschränken (Schießbefehl an der Grenze).

(Erstveröffentlichung 2020. Letzte Aktualisierung 17.04.2020)

Quelle: BR

Darstellung: