Gericht
Deutsche Gerichte
Knapp 1100 Gerichte gibt es in Deutschland, jedes hat seine festgelegten Aufgaben und Zuständigkeiten. Doch wer macht eigentlich was?
Von Martina Frietsch
Auch wenn die meisten Menschen nur selten einen Gerichtssaal betreten: Mit Gerichten und deren Urteilen hat jeder zu tun. Denn sie beeinflussen viele Bereiche unseres Alltags.
Wie exotisch dürfen die Vornamen für den Nachwuchs sein? Ist der gerade beschlossene Streik wirklich zulässig? Darf die geplante Autobahn durchs Naturschutzgebiet verlaufen? Solche Fragen sind Alltag an deutschen Gerichten.
Zivil- und Strafgerichte: Amts- und Landgerichte
Zivil- und Strafgerichte werden traditionell auch "ordentliche Gerichte" genannt. Zu ihnen gehören Amtsgerichte und Landgerichte.
Amtsgericht
Dieses Gericht ist uns buchstäblich am nächsten – eines der über 640 in Deutschland befindet sich ganz bestimmt nicht weit von Ihnen entfernt. Es fungiert sowohl als Strafgericht wie auch als Zivilgericht.
Vors Amtsgericht kommt, wer etwas ausgefressen hat, für das nicht mehr als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten sind.
Auch privatrechtliche Streitigkeiten werden hier ausgetragen, wenn also nicht der Staatsanwalt aktiv wird, sondern Bürger gegen Bürger klagen: Mieter gegen Vermieter, Käufer gegen Verkäufer, Nachbar gegen Nachbar.
Amtgerichte befassen sich mit Unterhalts- und Familiensachen, mit Vollstreckungen, Zwangsversteigerungen, mit Abschiebehaft, sie werden als Nachlassgericht und Vormundschaftsgericht tätig, sie führen die öffentlichen Register. Und wer ein Mahnverfahren einleiten will, der muss auch zum Amtgericht.
Landgericht
Bei Strafprozessen landen hier die "schweren Jungs" – das Landgericht verhandelt Verbrechen und schwere Vergehen, bei denen eine Strafe von mindestens vier Jahren zu erwarten ist. Bei Zivilprozessen zwischen Privatleuten oder Firmen ist das Landgericht ab einem Streitwert von 5000 Euro zuständig. Es ist, bis auf wenige Ausnahmen, außerdem die Berufungsinstanz für Entscheidungen der Amtsgerichte.
Instanzenzug: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht (in Berlin Kammergericht), Bundesgerichtshof (Karlsruhe)
Arbeitsgericht
Geht es um Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Kündigung, Abmahnung, Lohnzahlungen und mehr) oder um einen Rechtsstreit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, wird dies vor dem Arbeitsgericht verhandelt.
Instanzenzug: Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht, Bundesarbeitsgericht (Erfurt)
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt
Finanzgericht
Die Finanzgerichte sind zuständig, wenn Streitigkeiten zwischen Bürgern und Finanzbehörden entschieden werden müssen, also bei allen Fragen rund ums Steuerrecht.
Nächste mögliche Instanz (nur Revision): Bundesfinanzhof (München)
Sozialgericht
Die Sozialgerichte werden bei Streitigkeiten in Sachen Kranken- und Pflegeversicherungen aktiv. Sie sind außerdem zuständig, wenn Bürger in folgenden Bereichen mit einer Entscheidung, die sie betrifft, nicht einverstanden sind und dagegen vorgehen wollen: gesetzliche Renten- und Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitsförderung und andere Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Sozialhilfe, Asybewerberleistungsgesetz, Feststellung von Behinderungen.
Instanzenzug: Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht (Kassel)
Verwaltungsgericht
Wer glaubt, von der öffentlichen Verwaltung, also von Behörden, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, der kann vor das Verwaltungsgericht gehen. Hier wird über abgelehnte Baugenehmigungen und Bürgerbegehren, über Versammlungs- und Demonstrationsverbote, Studiengebühren und vieles mehr geurteilt.
Kurz gesagt: Das Verwaltungsgericht behandelt alle Fälle, um die sich nicht bereits Arbeits- und Sozialgerichte kümmern.
Instanzenzug: Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht (Leipzig)
Weitere Gerichte
Die Verfassungsgerichte der Länder sowie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das oft das "höchste deutsche Gericht" genannt wird, gehören zu keinem Gerichtszweig. Sie werden nur dann tätig, wenn es um Fragen des Grundgesetzes oder der Länderverfassungen geht.
In der Regel dauern Verfahren vor den Verfassungsgerichten deutlich kürzer als bei anderen Gerichten, da sie nur selten angerufen werden.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
Kleines Glossar
Berufung: Eine angefochtene Gerichtsentscheidung wird von der nächsten Instanz neu geprüft – inhaltlich und formal.
Revision: Nicht der Sachverhalt wird neu geprüft, sondern das Verfahren selbst, also ob das Recht richtig angewandt wurde.
Beschwerde: Sie betrifft nur einzelne Fragen eines Verfahrens.
Quelle: SWR | Stand: 31.03.2020, 12:01 Uhr