Vampirzähne

Fabelwesen

Vampire

Vampire sind unsterblich. Die untoten Blutsauger faszinieren seit Jahrhunderten die Gruselfans. Bram Stokers Roman "Dracula" von 1897 prägt bis heute unsere Vorstellung von Vampiren.

Von Andrea Schultens

Mythen und Legenden

Schon lange vor "Dracula" gab es in nahezu allen Kulturkreisen der Erde ähnliche oder mit dem Vampir verwandte Vorstellungen. So ist die Furcht vor blutsaugenden Ungeheuern und Geistern auch in den Mythen und Sagen Asiens, Afrikas und Südamerikas zu finden. Die indische Göttin Kali etwa schlug der Legende nach einem unbesiegbaren Dämon den Kopf ab und trank das herausfließende Blut.

"Der antike Volksglaube kannte eine große Zahl blutrünstiger Ungeheuer", sagt der Vampirologe und Mythenforscher Hans Meurer. So "hatte zum Beispiel auch bei den Azteken Blut einen großen Wert. Einzig Blut galt als angemessene Nahrung für ihre Götter."

Die blutsaugenden Monster existierten jedoch oft als gesichtslose Fabelwesen, sie waren keine konkreten Persönlichkeiten wie im heutigen Vampirglauben.

Auch in Europa gab es Mythen und Legenden um verschiedene Dämonen, die viele Ähnlichkeiten mit dem Vampir aufwiesen. Hier jedoch fehlte den meisten die entscheidende Vampireigenschaft: Sie raubten kein Blut. Erst später mischten sich diese europäischen Dämonen mit der Figur des orientalisch-antiken Blutsaugers.

Seit dem 18. Jahrhundert verbreitete sich der Vampirmythos schließlich vom Balkan aus nach Ost- und Mitteleuropa. Während im Volksglauben ein Vampir nicht unbedingt auch ein Blutsauger sein musste, festigte sich dieses Bild durch Literatur und später auch durch Filme.

Vampirfilme

Von Andrea Schultens (WDR)

Von "Nosferatu" und "Dracula" über "Tanz der Vampire" bis hin zu "Twilight": Schon lange treiben Vampire nicht nur in den Alpträumen der Menschen ihr blutiges Unwesen - sondern auch auf der Kinoleinwand.

Schwarzweiße Filmszene: Dracula mit Glatze, schwarzem Mantel, großen Ohren und sehr langen Fingernägeln auf einem Schiff

"Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens": Der expressionistische Stummfilm von 1922 gilt als der Vampirfilmklassiker und Max Schreck als der unheimlichste und furchterregendste unter den Dracula-Darstellern – auch wenn Graf Dracula hier zu Graf Orlok wurde. Weil die Verfilmung des Romans "Dracula" von Bram Stoker seinerzeit nicht autorisiert war, veränderte Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau die Geschichte leicht und taufte Dracula um. Obwohl Bram Stokers Witwe schließlich Recht bekam und gerichtlich die Vernichtung des Films erwirkte, konnten einige Kopien gerettet werden, dank derer uns der Klassiker auch heute noch erfreut.

"Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens": Der expressionistische Stummfilm von 1922 gilt als der Vampirfilmklassiker und Max Schreck als der unheimlichste und furchterregendste unter den Dracula-Darstellern – auch wenn Graf Dracula hier zu Graf Orlok wurde. Weil die Verfilmung des Romans "Dracula" von Bram Stoker seinerzeit nicht autorisiert war, veränderte Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau die Geschichte leicht und taufte Dracula um. Obwohl Bram Stokers Witwe schließlich Recht bekam und gerichtlich die Vernichtung des Films erwirkte, konnten einige Kopien gerettet werden, dank derer uns der Klassiker auch heute noch erfreut.

"Dracula" (1931): Bela Lugosi wurde nach seinen Theatererfolgen als Graf Dracula nun auch der erste filmische Dracula-Darsteller. Es verwundert nicht, dass die Frauen schon damals reihenweise in Ohnmacht fielen, sobald Bela Lugosi auf der Bühne oder Leinwand erschien. Lugosi verkörperte seine Dracularolle voller Eleganz und hintergründiger Erotik. Sein osteuropäischer Akzent und sein aristokratisches Auftreten taten ihr übriges.

Bela Lugosi ging in der Rolle des Grafen so sehr auf, dass er sich später sogar in seinem Draculakostüm beerdigen ließ. Mit schwarzem Frack, Cape und Zylinder prägte er ein Draculabild, das in den darauf folgenden Filmen und auch noch bis in die 1990er Jahre hinein prägend für unsere Vorstellung von Graf Dracula blieb.

"Horror of Dracula" (1958) mit Christopher Lee gilt als wegweisend für den Vampirfilm sowie auch für den Horrorfilm im Allgemeinen. Den Film kann man als erste moderne Adaption des klassischen Stoker-Stoffes bezeichnen. Will heißen: Es fließt sichtbar Blut. Zudem erstmals in Farbe und daher um so eindrucksvoller. Die Kamera zeigt ausführlich, wie die Vampirzähne sich in den Hals des Opfers beißen. So etwas hatte es vorher nicht gegeben.

Neben den expliziten erotischen Anspielungen faszinierte in "Horror of Dracula" vor allem Christopher Lee in der Hauptrolle. Er wurde mit einem Schlag weltberühmt und löste Bela Lugosi als Inbegriff des Vampirdarstellers ab. Charmant, intelligent, jedoch auch sehr grausam und weniger theatralisch als Lugosi verzauberte Lee das Publikum. Seine Statur und Größe verlieh ihm zudem etwas Übernatürliches und ließ ihn bedrohlich wirken.

"Tanz der Vampire" (1967): Roman Polanskis erste Großproduktion benutzt die Klischees und Handlungsmuster des Vampirgenres für eine amüsante Persiflage. Die Vampirparodie spielt gekonnt mit den Mythen und Elementen der Filmklassiker und wurde so schnell selbst zu einem Kultfilm. Mit makaberer Komik und feinsinniger Satire entstand diese Hommage an das alte Horrorkino.

"Bram Stoker's Dracula" (1992): Wie schon der Titel verspricht, hält sich Regisseur Francis Ford Coppola sehr nah an die Romanvorlage Bram Stokers. Das Besondere der Adaption ist jedoch, dass die Vampirgeschichte hier mit einer Liebesgeschichte einhergeht. Dracula erkennt in Mina die Inkarnation seiner verstorbenen Angebeteten Elisabetha. Der Film behandelt damit zusätzlich zu den klassischen Draculamotiven die Geschichte zweier Liebender, die nicht zueinander finden dürfen.

Zum hochkarätigen Staraufgebot in "Bram Stoker's Dracula" zählen neben Gary Oldman als Graf Dracula (rechts) Winona RyderKeanu Reeves (links) und Anthony Hopkins als Vampirjäger Van Helsing.

"Interview mit einem Vampir" (1994) beruht auf dem gleichnamigen Roman von Anne Rice, welche auch das Drehbuch verfasste. Der erfolgreiche Vampirroman aus dem Jahre 1976 ist legendär. Erstmals tritt ein melancholischer Vampir auf: Louis, im Film dargestellt durch Brad Pitt, wurde durch Lestat – alias Tom Cruise – zum Vampir. Der Untote Louis ist von trauriger und zurückhaltender Natur und hat sich über den Tod hinaus sein Gewissen bewahrt. Die Schwermütigkeit des Romans drückt sich auch im gleichnamigen Film aus. Themen sind neben Louis' Aversion gegen das Beißen und Töten von Menschen die schwule Liebe und vampirische Familienstruktur sowie die bedrückende Unsterblichkeit, die vor allem durch die kleine Claudia ausgedrückt wird. Sie wurde schon als Kind zum Vampir und bleibt nun für immer in ihrem Kinderkörper gefangen.

Die Handlung von "Underworld: Evolution" liest sich wie eine moderne Fassung von "Romeo und Julia", nur dass sich nicht zwei verfeindete venezianische Familien gegenüberstehen, sondern Vampire und Werwölfe. Tatsächlich besteht der Film, in dem Kate Beckinsale die Hauptrolle spielt, aber über weite Strecken aus wilder Ballerei. "Underworld" ist damit ein mäßiger Repräsentant des relativ neuen Action-Vampir-Genres, zu dessen gelungeneren Vertretern zum Beispiel die "Blade"-Filme gehören.

Ein romantisches Revival feierte der Vampir in den "Twilight"-Filmen (2008-2012). Die Liebesgeschichte zwischen dem Vampir Edward (Robert Pattinson) und der Schülerin Isabella Swan (Kristen Steward) löste weltweit Begeisterung aus und führte die Vampirfigur vom Horror-Genre hin zur Fantasy. Die Filmreihe basiert auf den gleichnamigen Büchern von Stephenie Meyer.

Ursachen des Vampirglaubens

Menschen suchten schon früh nach Dämonen, die ihre Urängste und verborgenen Wünsche zum Ausdruck bringen. Unerklärliches wird durch fiktive dämonische Wesen erklärt. Auch der Vampir ist solch ein Mittel zum Zweck.

Der Vampirmythos hängt eng mit Volksglauben und Religionsgeschichte zusammen. Religion spaltet in Gut und Böse. So wurden etwa Verstorbene aufgrund von Schuld, die sie zu Lebzeiten auf sich geladen hatten, als Untote angesehen, die angeblich in einer Zwischenwelt umherirrten.

Diese Bösen existierten als Gegenbild zu den Guten, zum Beispiel den Engeln. Denn im Mittelalter war es vollkommen unstrittig, dass es neben Schutzengeln auch Dämonen gab.

Gemälde: Jüngstes Gericht von Hieronymus Bosch

Dämonische Fantasien beschäftigen die Menschen schon lange

"Bis etwa 1750 waren Wiedergänger wichtiger Gegenstand seriöser – religiöser und philosophischer – Forschung", erklärt Historiker Hans Meurer. "Selbst als sich im 18. Jahrhundert die Aufklärung schon durchgesetzt hatte, fanden Menschen scheinbare Vampire in der Erde." Diese ängstigten die Welt noch mehr und bestätigten – trotz Aufklärung – die Unerklärbarkeit von diversen Phänomenen.

Der Aberglaube blühte. "Und blüht immer noch", sagt Mythenforscher Meurer. "Unsere Ratio macht ja nur einen kleinen Teil unseres Seins aus. Wer sich umschaut, bemerkt, wie viel Aberglaube auch heutzutage noch in uns steckt. Wer singend in den Keller geht oder einen Talismann mit sich herumträgt, der kann nicht behaupten, Aberglaube wäre Vergangenheit."

Der Klassiker: "Dracula"

Seit der Erstveröffentlichung von "Dracula", dem Romanbestseller des Iren Bram Stoker, zieht das Buch weltweit eine große Leserschaft an und prägt umfassend unser heutiges Vampirbild.

Viele der alten Mythen gerieten in Vergessenheit und der Vampir, der vorher zahlreiche Erscheinungsformen und Eigenschaften haben konnte, hat sich im Wesentlichen auf das Vampirbild reduziert, das Stoker 1897 schuf: ein Graf von beeindruckender Erscheinung – ein ebenso verführerischer wie beängstigender Aristokrat mit hellem Teint und langen Eckzähnen, Besitzer eines gruseligen Schlosses in Transsilvanien.

Schloss von malerischer Landschaft umgeben.

Grusel für Touris: Castel Bran, angeblich Draculas Schloss

Viele der fiktionalen Elemente in Stokers Roman basieren auf realen Personen und Orten. So lieferte Fürst Vlad Tepes, auch Vlad Draculea ("Sohn des Drachen") genannt, die historische Vorlage für Graf Dracula. Vlad Tepes ging als grausamer Fürst mit dem Beinamen "Der Pfähler" in die Geschichte der Walachei ein. Fast 24.000 Türken soll er im 15. Jahrhundert gepfählt haben.

Obwohl Stoker nie in Transsilvanien war, wählte er diese Region nicht zufällig aus: In den Ostländern war der Vampirglauben sehr lebendig. Menschen gingen davon aus, dass die Toten unverwest blieben, bis sie ihre Sünden verbüßt hatten. Zudem sorgten die natürlichen Gegebenheiten wie Klima und Beschaffenheit der Erde dafür, dass viele Tote lange unverwest erhalten blieben.

Vor allem an der ungarischen Grenze gibt es einen besonderen Bodenbelag, der die Leichen erhält und so aussehen lässt, als seien sie Vampire. Durch zahlreiche Hollywood-Produktionen und Filmvariationen hat sich Stokers Vampirfigur immer weiter verfestigt.

Was macht einen Vampir aus?

Vampire sind untot. Sie sind lebende Tote, deren Hauptanliegen – zumindest in Literatur und Film – meistens das Blutsaugen ist. Vampire brauchen Energie und Leben, das sie sich durch das Blut von Lebenden holen.

Und auch sonst haben sie außergewöhnliche Eigenschaften. Häufig sind die besonderen Fähigkeiten – vor allem seit Stokers Roman "Dracula" – allen Vampiren gemeinsam, doch manchmal variieren sie und treten in verschiedenen Zusammenstellungen auf.

So können Vampire in Geschichten oft senkrecht Wände hinaufgehen, sich unsichtbar machen oder sich in andere Gestalten wie Fledermäuse oder Wölfe verwandeln. Sie meiden das Tageslicht und schlafen tagsüber in ihren dunklen Särgen, während sie nachts erwachen und auf Nahrungssuche gehen.

Außerdem können Vampire überdurchschnittliche Kräfte entfalten und auf natürlichem Wege niemals sterben. In Stokers "Dracula" kann selbst Sonnenlicht dem Grafen nichts anhaben.

Heute gilt Dracula jedoch meist als Schattenwesen, das die Sonne meidet. Fällt Sonnenlicht auf einen Vampir, so zerfällt er laut der Legende zu Staub. Auch Feuer oder ein Holzpflock, der ihm grausam durchs Herz gestoßen wird, bringt den Vampir um. Als Abwehrmittel gelten vor allem Knoblauch und religiöse Utensilien wie Kreuze oder Weihwasser.

Vampir in Sarg versucht Holzpflock abzuwehren.

Eine Möglichkeit, einen Vampir zu töten

Man kann sich jedoch niemals sicher sein, denn wie gesagt: Die Eigenschaften variieren. Und vereinzelte Vampire lassen sich noch nicht einmal von Knoblauch abschrecken. In den meisten Fällen ist die Abwehr – wenn man einen Vampir erstmal identifiziert hat – jedoch einfach: Er betritt ein Haus nur, wenn er darum gebeten wird.

Die anhaltende Faszination

"Religion, Tod und Sexualität – dies sind die einzig wahren Themen im Leben", davon geht Mythenforscher Hans Meurer aus und fügt hinzu: "Vampirliteratur vereinigt die wichtigen und interessanten Themen, die die Menschheit beschäftigen und immer beschäftigen werden."

Schwarzweiß-Filmszene: Klaus Kinski als Vampir beugt sich über ein im Bett liegendes hübsches weibliches Opfer.

Sex und Unmoral: beliebte Motive im Vampirfilm

Mark Benecke, deutscher Vorsitzender der "Transylvanian Society of Dracula", formuliert es so: "Vampirgeschichten bilden den perfekten Mythos ab. Während andere Werke, wie zum Beispiel Frankenstein, teilweise auch wichtige Elemente beinhalten, ist bei Vampirgeschichten alles, was einen Mythos interessant macht, vereinigt."

Religion und der Wunsch nach Unsterblichkeit, Blut, Liebe, Sexualität und Unmoral – dies sind nur einige der Themen, um die sich Vampirgeschichten drehen.

"Zudem kann bei Vampirgeschichten immer noch Aktuelles mit aufgegriffen werden", fügt Benecke einen weiteren Grund hinzu. "Bücher und Filme haben eine individuelle Note, eine aktuelle Anpassung an die Geschichte, an Gruppen oder Subkulturen. Durch diese Variationen werden die spannenden Themen noch spannender."

Das Spektrum der Vampirfilme reicht von witzigen Parodien wie Polanskis "Tanz der Vampire" über blutlastige Verfilmungen wie in den 1980er-Jahren, als erstmals große Angst vor der tödlichen und nicht sichtbaren Krankheit Aids auftauchte, bis hin zu modernen Mischformen.

Vampirfilme wie "Blade" oder "Underworld" sind Abwandlungen, die laut Benecke eine wilde Mischung an Elementen vereinen: "Wie in coolen Musikclubs, dort werden Hiphop und Techno gemischt, in Filmen zum Beispiel Werwölfe und Vampire."

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 24.08.2020)

Quelle: WDR

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