Für die ersten Hörer klangen die Musikstücke des Expressionismus ungewöhnlich, weil die Komponisten viele der vorherigen Regeln brachen und neue Wege erforschten, um sich musikalisch auszudrücken. Die Musik folgte keinen traditionellen Melodien, sie legte mehrere Rhythmen übereinander und war emotional sehr intensiv.
Die Musiker des Expressionismus komponierten Stücke mit abwechselnd extrem hohen und tiefen Tönen aus verschiedenen Tonarten. Diese unstimmig klingende Kompositionsart der Expressionisten wird auch "atonal" genannt. Auch der Takt, das Tempo und Lautstärken verändern sich ständig.
Insgesamt klang die Musik dadurch ungewohnt und chaotisch, weil die Stücke bis dahin immer den traditionellen Dur- und Molltonarten gefolgt waren. Aber genau das war die Absicht der expressionistischen Musiker. Die Stücke waren komplex, es gab kaum Wiederholungen und Übergänge. Die Expressionisten konzentrierten sich nur darauf, was für sie wesentlich war - ihre Musik sollte innere Konflikte und die Unruhe der Zeit widerspiegeln.
Weil die Melodien so oft wechseln, ist es kaum möglich, dazu zu singen. Stattdessen wurden die expressionistischen Stücke oft dazu benutzt, Gedichte oder Theaterstücke zu vertonen. Die atonale Musik vermittelt dem Publikum intensive Emotionen und unterstützt die Aussagen der Stücke.
Zu den führenden Komponisten des Expressionismus gehörten zum Beispiel die Österreicher Arnold Schönberg und Alban Berg sowie der Ungar Béla Bartók und der Russe Igor Strawinsky.
Der expressionistische Maler Wassily Kandinsky war fasziniert vom Stil der neuartigen Musik, vor allem von Schönbergs Werken. In einem Brief an ihn lobt Kandinsky, dass Schönberg in seinen Stücken auf klassisch schöne und harmonische Elemente verzichte. Schönberg malte auch expressionistische Bilder.
Ab 1904 unterrichtete Schönberg die beiden Musiker Alban Berg und Anton Webern. Gemeinsam mit anderen Komponisten gründeten sie die Gruppe "Neue Wiener Schule".
Die Komponisten der "Neuen Wiener Schule" entwickelten nach dem atonalen Expressionismus einen weiteren Musikstil: die sogenannte Zwölftonmusik. Dabei nutzen die Musiker alle zwölf Töne der Tonleiter. Ihre Regel: Ein Ton darf erst wiederholt werden, wenn alle anderen einmal gespielt wurden.
Um 1920 kamen nach und nach neue Musikströmungen auf, wie zum Beispiel die Neue Sachlichkeit. Diese Musik sollte einfacher sein und für die Zuhörer angenehmer klingen.
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 29.05.2024)
UNSERE QUELLEN
- Thomas Anz: "Literatur des Expressionismus". Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2010.
- Werner Keil: "Musikgeschichte im Überblick". Brill / Fink, 2018.
- Frank Krause: "Literarischer Expressionismus". V&R Academic, 2015.
- Stefan Weiß: "Musikgeschichte Moderne und Postmoderne". Bärenreiter, Kassel 2023.