Helgoland
Die Geschichte Helgolands
Die kleine Insel Helgoland blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Dänen, Briten und Deutsche kämpften um die Macht über den 60 Meter hohen Felsen. Piraten machten die Insel zum Schmugglerparadies, Künstler suchten Einsamkeit und Inspiration.
Von Annette Holtmeyer, Britta Schwanenberg
Frühe Geschichte
Vor mehr als 3500 Jahren löste sich im Zuge des ansteigenden Meeresspiegels ein Felsgebilde vom Festland: Die Insel Helgoland entstand. Ausgrabungen zufolge war es in der Gegend von Helgoland schon in der Bronzezeit (etwa 2200 bis 800 vor Christus) zu einer gewissen Blüte gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Insel noch deutlich größer als heute.
Noch im 20. Jahrhundert vermuteten deshalb einige Gelehrte, dass es sich bei den untergegangenen Landesteilen um das sagenhafte Atlantis handeln könnte. Ab 800 nach Christus taucht in Schriften erstmals der Name "Heiligland" auf, unter dem die Insel zunächst bekannt wurde. Im Mittelalter war Helgoland etwa viermal so groß wie heute.
Die Dänen kommen und gehen
Immer wieder weisen die Schriften ab dem 13. Jahrhundert auf den Einfluss von Dänen und Piraten hin. Mitte des 14. Jahrhunderts beschwert sich eine Hamburger Urkunde über einen dänischen Ritter, der Helgoland zu einem Seeräubernest mache.
1401 kommt es nahe der Insel Helgoland zur einer großen Seeschlacht, in der die Hamburger auch den berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker fassen. Bis heute rühmen sich viele Helgoländer dieses Besuchers. Doch ob er die Insel je betreten hat, ist ungewiss.
Störtebeker wurde 1401 gefangen genommen
1714 wird Helgoland dänisch. Unterdessen nagt die See unablässig an dem mächtigen Kreidefelsen. Die Bewohner verschiffen Muschelkalk und Gips in großen Mengen als Baustoff zum Festland.
1720 zerstört eine Sturmflut die unterhöhlte Landzunge zwischen dem Buntsandsteinfelsen der Hauptinsel und der Düne. Helgoland ist zweigeteilt. Auf der Düne entwickelt sich später der Badebetrieb.
Vom britischen Schmugglerparadies zum deutschen Seebad
1807 erobern die Engländer Helgoland. Sie wollen von hier aus die Kontinentalsperre umgehen, mit der der französische Feldherr Napoleon den Handel mit England unterbinden möchte. Helgoland wird zum Schmugglerparadies – Insulaner, englische Besatzer und Schmuggler erleben goldene Zeiten. Doch schon 1814, nach der Niederlage Napoleons, folgt der wirtschaftliche Abstieg.
1890 wurde Helgoland dem deutschen Kaiser übergeben
1826 fasst ein Insulaner dann den kühnen Entschluss, ein Seebad zu gründen. Schon bald preisen Künstler und Touristen die Schönheit Helgolands. Neben Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der hier das Deutschlandlied dichtet, ist Heinrich Heine der wohl prominenteste Verehrer Helgolands. Sein Ausspruch "Das Meer riecht wie Kuchen" ist bis heute in aller Munde.
Am 10. August 1890 nimmt Kaiser Wilhelm II. Helgoland für das Deutsche Reich in Besitz. Vor dem Hintergrund des sogenannten "Helgoland-Sansibar-Vertrages" wird die bis dahin britische Insel dem preußischen Staat zugesprochen. Dafür verzichtet das Deutsche Reich auf seine Ansprüche auf das Sultanat Sansibar vor der Küste Tansanias.
Das Konversationshaus auf Helgoland
Helgoland als Kriegsschauplatz
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges müssen die Helgoländer die Insel räumen: Der Felsen wird zu einer Seefestung ausgebaut, die die Nordseeküste schützen soll. Die Schlachten vor Helgoland bringen verheerende Zerstörungen für die Insel. Als die Insulaner nach Kriegsende wieder zurückkehren dürfen, liegt die Felseninsel in Schutt und Asche.
Im Ersten Weltkrieg wurde Helgoland evakuiert
Als der Tourismus gerade wieder in Schwung kommt, rüstet man sich bereits für den nächsten Krieg. Weiträumige Bunkeranlagen entstehen. Der Hafen wird für den Verkehr großer Kriegsschiffe und U-Boote umgebaut.
1937 entwickelt das Oberkommando der Kriegsmarine ein umfassendes Hafenkonzept, die sogenannte Hummerschere. Bis 1943 bleibt Helgoland vom Geschehen des Zweiten Weltkriegs weitgehend verschont, dann nehmen amerikanische Bomber die Insel ins Visier.
"Operation Big Bang"
Am 18. April 1945 versucht eine Gruppe von deutschen Widerständlern, die Insel kampflos zu übergeben – vergeblich: Am gleichen Tag nehmen 1000 allliierte Flieger die kleine Insel unter Beschuss. Als Helgoland wenige Tage nach der deutschen Kapitulation an die englischen Streitkräfte ausgeliefert wird, ist das Eiland ein Trümmerfeld.
Tausende Tonnen Sprengstoff zerstören die Insel
Die entvölkerte Insel wird zum Bombenübungsziel für die Royal Air Force. Britische Soldaten sprechen zynisch vom "Hell go Land" – vom Land, das zur Hölle geht. 1947 lösen sie per Fernzündung den "Big Bang" aus, die größte nichtnukleare Sprengung der Geschichte. Das unterirdische Stollensystem des einstigen deutschen Flottenstützpunktes fliegt in die Luft. Doch der Felsen trotzt den rund 4000 Tonnen Sprengstoff.
Der Zusammenhalt der evakuierten Helgoländer ist groß, ihr Protest noch größer. Im Dezember 1950 gelingt es Heidelberger Studenten, die Insel zu besetzen. Sie hissen die Europaflagge und verbringen die Weihnachtsfeiertage alleine zwischen den Trümmern. Bald ziehen die ersten Helgoländer nach und kommen zurück auf ihre Heimatinsel. Schließlich gebietet das britische Militär Einhalt.
Ruhigere Zeiten
Nach diplomatischen Verhandlungen der Regierung unter Konrad Adenauer mit Großbritannien kann 1952 die Bundesflagge auf Helgoland gehisst werden. Fast alle Häuser sind zerstört. Der 35 Meter hohe Leuchtturm ist das einzige Gebäude auf der Insel, das den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden überstanden hat.
Der Bundeskanzler erklärt den Aufbau der Insel zur "Herzenssache des ganzen deutschen Volkes". Unverzüglich beginnen die Helgoländer, Trümmer zu räumen. Monate später ankert bereits wieder der erste Bäderdampfer vor der Küste. Dem heutigen Helgoland sieht man kaum noch an, dass es auf einem Trümmerhaufen errichtet wurde.
Der Leuchtturm überstand den Krieg
(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 16.03.2021)
Quelle: WDR