Der "Floh" kommt aus Paris
Auf einem traditionellen Flohmarkt oder Trödelmarkt werden vor allem gebrauchte Dinge verkauft. Doch was haben gebrauchte Waren mit Flöhen gemein? Ganz eindeutig ist die Herkunft des Begriffs "Flohmarkt" jedenfalls nicht zu klären.
Die gängige Meinung lautet, dass der Begriff aus dem Französischen stammt. Bei unseren Nachbarn jenseits des Rheins heißen die Second-Hand-Märkte "Marché aux Puces" – was übersetzt das gleiche bedeutet wie "Flohmarkt".
In Fan- und Fachkreisen kursieren zwei Versionen über die Entstehung der Märkte in Frankreich. Seit dem späten Mittelalter war es in Paris üblich, dass Lumpenhändler die abgetragenen Kleider der Reichen aufkauften und mit diesen Handel trieben.
Doch da die hygienischen Bedingungen damals noch zu wünschen übrig ließen, kam es nicht selten vor, dass sich Flöhe in der abgelegten Garderobe befanden. Nach einer besonders großen Flohplage wurden die Lumpenhändler in den Norden von Paris verfrachtet, wo um 1890 der erste "Flohmarkt" Frankreichs stattfand.
Die andere Erklärung hat weniger mit den kleinen Plagegeistern zu tun. Angeblich soll um 1880 ein unbekannter Mann angesichts des bunt durcheinandergewürfelten Trödels und der vielen Menschen in den Pariser Gassen gerufen haben, das sähe ja aus wie auf dem Markt der Flöhe.
Glaubt man dieser Variante, dann entwickelten sich die ersten Trödelmärkte zwischen 1880 und 1900 in der Kommune von Saint-Ouen vor den Toren von Paris. Nachts gingen die ersten Trödler in den Straßen auf die Suche nach Dingen, die andere nicht mehr haben wollten.
Mit der Zeit verkauften sie ihre gebrauchte Ware immer an denselben Plätzen, bis der Bürgermeister von Saint Ouen den Trödlern 1885 auch offiziell einen festen Platz für ihren Markt zuwies.
Das Konzept wurde schnell in anderen Stadtteilen von Paris aufgegriffen. Heute gehört "Les Puces de Paris Saint-Ouen" zu den größten Antiquitätenflohmärkten der Welt.
Belgien: die andere Heimat der Flohmärkte
Neben Frankreich gilt Belgien als traditionelles Ursprungsland der Trödelmärkte. Dort gab es zunächst die Märkte der sogenannten "brocanteurs" (Trödler). Einer der schönsten und ältesten Märkte befindet sich am "Place du Jeu de Balle" in Brüssel.
Diesen besonderen Flohmarkt gibt es schon seit 1873. Er findet täglich statt und hat wie kein anderer das Gesicht eines Stadtviertels, der Marolles, geprägt.
Die Marolles sind das einstige Armenviertel Brüssels. Hier lebten Arbeiter und Prostituierte in heruntergekommenen Wohnungen. Die stehen heute noch, aber mit jeder neuen Stadtviertel-Restaurierung können sich die alteingesessenen Bewohner die steigenden Mieten kaum mehr leisten.
Das Nebeneinander von Arm und Reich spiegelt auch das Angebot auf dem "Jeu de Balle" wider. Hier kann man alles finden, was das Herz begehrt: Gemälde, Spielsachen, Porzellan und Möbel aus diversen Stilepochen.
Dementsprechend groß ist auch die Preisspanne. Manche Dinge kosten nur ein paar Cent, andere dagegen ein paar Tausend Euro. Auch in vielen anderen Städten Belgiens finden regelmäßig Trödelmärkte statt.
Feilschen ist auch eine Frage der Kultur
Doch worin liegt die andauernde Begeisterung für den Floh- und Trödelmarkt? Möglicherweise in der Tatsache, dass dem Flohmarkt ein uraltes, simples Handelsprinzip zugrunde liegt.
Wie auf einem mittelalterlichen Wochenmarkt kommt es hier zu einem direkten Austausch zwischen Händler und Käufer. Die Ware kann unmittelbar begutachtet werden und Handeln ist hier im Gegensatz zum normalen Laden nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Beim Feilschen um den Preis kommt das älteste Marktprinzip der Welt zum Einsatz: Angebot und Nachfrage. Dabei können die Auffassungen davon, wie viel ein Gegenstand wert ist, sehr unterschiedlich sein.
Aber noch etwas kommt beim Handeln zum Ausdruck: die unterschiedlichen kulturellen Traditionen verschiedener Länder. Ein Araber wird womöglich für ein und denselben Gegenstand zunächst einen höheren Preis nennen als ein mitteleuropäischer Händler. Aufgrund seiner kulturellen Prägung geht der arabische Händler davon aus, dass der genannte Preis nicht der Endpreis ist und erst bei einem Glas Tee ausgehandelt werden muss.
In Mitteleuropa ist die Tradition des Handelns dagegen eher fremd, da man es hier nicht gewohnt ist, Preise zu hinterfragen. In Zeiten von Konsumüberschwang und "geklonten" Einkaufszentren hat vielleicht gerade das Simple auf dem Flohmarkt seinen Reiz. In unserer komplexen Welt ist der Trödelmarkt ein Refugium mit einfachen Regeln und gleichzeitig ein sozialer Treffpunkt.
Für jeden etwas: Spezialflohmärkte
Den klassischen Floh- und Trödelmarkt gibt es heute noch immer. Dort findet man alle möglichen gebrauchten Dinge.
Manchmal bekommt man beim Kauf einer Sache auch die Geschichte des Kaufobjektes mitgeliefert. Denn auf dem traditionellen Flohmarkt hat jeder Gegenstand schon eine eigene Geschichte – hier dreht sich alles um Historie. Daher kann man hier auch immer dem Zeitgeist verschiedener Epochen nachspüren.
Dass sich auf den Trödelmärkten äußerst verschiedene Menschen mit den unterschiedlichsten Vorlieben und Interessen begegnen, ist vielleicht auch ein Grund, warum im Laufe der Zeit immer mehr Spezialmärkte für Sammler und Fachpublikum entstanden sind.
Auf den Spezialmärkten ist das Angebot konsequent auf ein bestimmtes Zielpublikum ausgerichtet. Hierbei reicht das Spektrum von Antiquitäten- und Antikmärkten, über Briefmarken- und Münzbörsen, Computer- und Musikbasare bis zu Flohmärkten für Kindersachen.
Nicht nur die Flohmarktszene ist dadurch gewachsen. Auch die Anzahl der Händler, die sich auf eine Warengruppe spezialisiert haben und hauptberuflich vom Handel mit dem Trödel leben, ist gestiegen.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 02.03.2021)