Theater mit langer Tradtion
Figurentheater gibt es auf der ganzen Welt. Es existiert fast kein Land, in dem nicht mit Puppen Theater gespielt wird. Es gibt fast kein Thema, das nicht auf Puppenbühnen dargeboten wird.
Die Theater spielen klassische Dramen, Komödien, Grotesken, Trauerspiele, Operetten und Opern. In China werden Stücke der Peking-Oper auf Puppenbühnen gespielt.
In Thailand spielt man seit Jahrhunderten mit Stabpuppen. In Japan sind drei Spieler nötig, um eine mannsgroße Puppen zu bewegen. In Vietnam gibt es eine Form, bei der Puppenspieler im Wasser stehen und ihre Figuren führen.
Fantastische und realistische Stoffe haben ihren Platz auf den Puppentheaterbühnen der Welt. Neben vielen Amateuren gibt es Künstler, die eine jahrelange Ausbildung in ihrem Fach genossen haben.
Theater und Themen
Allein in Deutschland gibt es mehr als 100 Puppentheater. Ihr Spielplan ist so bunt und anspruchsvoll wie der der "großen" Theaterlandschaft. Hunderte von Puppenspielern arbeiten professionell in diesem Bereich. Viele von ihnen können sogar davon leben.
Jedes Jahr finden Dutzende Festivals an verschiedenen Orten statt, etwa das internationale Figurentheaterfestival Erlangen-Nürnberg-Fürth, die jährliche Gernsbacher Puppentheaterwoche oder die Imaginale, das internationale Figurentheater-Festival Baden-Württemberg.
Im professionellen Figurentheater werden oft zeitgenössische Autoren gespielt. Manchmal erhalten Schriftsteller auch Aufträge, ein Stück zu schreiben. Zudem gibt es Wettbewerbe, in denen das beste "Drehbuch" ausgezeichnet wird und zur Aufführung kommt.
Auch bekannte Stoffe des "großen" Theaters finden immer wieder Einzug ins Puppenspiel: Das Hohenloher Figurentheater spielt zum Beispiel seit Jahren Friedrich Dürrenmatts "Besuch der alten Dame".
Geschichte des Figurentheaters
Das Figurentheater kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Wer die ersten Figurenspieler der Weltgeschichte waren, ist nicht bekannt. Es lässt sich nur spekulieren, ob schon die ältesten steinzeitlichen Figuren der Menschheit nicht nur rein figurale Darstellungen waren, oder ob mit ihnen auch rituelle kultische Handlungen – früheste Formen eines Figurentheaters – vollzogen wurden.
Gesichert ist, dass schon die antiken Griechen marionettenartige Gliederpuppen kannten. Aristoteles beschreibt eine Figur, die den Kopf drehen, den Nacken, die Glieder und die Augen bewegen konnte.
Platon verwendet in seinen Schriften mehrfach das Bild von der an Fäden gezogenen Puppe als Symbol für menschliche Abhängigkeit. Diese Puppen heißen Neurospasmata.
Auch andere Kulturen haben eine lange Geschichte des Figurentheaters. Im alten Ägypten erfreuten sich Spielfiguren großer Beliebtheit. Schon damals verdienten sich professionelle Puppenspieler mit ihrer Kunst den Lebensunterhalt.
In China war das Figurenspiel schon während der Tang-Dynastie (7. bis 10. Jahrhundert nach Christus) weit verbreitet. Regelrecht in Mode kam es dort zwischen 950 und 1100. Damals führten professionelle Puppenspieler ihre Stücke im Kaiserpalast, in den Haushalten reicher Mandarine, auf Märkten und in Bordellen auf – meist mit Stockpuppen und Marionetten.
Mittelalter und Neuzeit
In mittelalterlichen Schriften wie dem Alexanderlied findet man Abbildungen von Spielpuppen. Im religiösen Bereich gab es "Mysterienspiele". Puppenspieler brachten an religiösen Feiertagen dem einfachen Volk auf Marktplätzen so christliche Glaubensinhalte näher.
Später wurden auch nicht-sakrale Stoffe mit Figuren gespielt. Das deutsche Trauerspiel "vom erschröcklichen Erzzauberer Johannes Fausten, seinem Seelenhandel mit dem Teufel und seiner schließlichen Höllenfahrt" war zeitweise das meistgespielte Stück des Puppentheaters.
Johann Wolfgang von Goethe, der als Kind ein Puppentheater geschenkt bekommen hatte und leidenschaftlich damit spielte, ließ sich später von dem Stoff zu seinem Faust inspirieren.
Aus der Shakespeare-Zeit sind Stoffe und Libretti für das Puppentheater überliefert. In Italien wurde vor allem die Commedia dell'arte auf der Puppenbühne gespielt. Im sizilianischen Puppentheater (Opera dei pupi) kamen vor allem Marionetten zum Einsatz.
In der DDR war das Puppentheater eine vollkommen gleichberechtigte Sparte der Darstellenden Kunst. Es gab in fast allen Bezirken feste Spielstätten, oft mit einem umfangreichen Ensemble und eigenen Werkstätten ausgestattet.
Entsprechend umfassend und fundiert war in der Zeit die Ausbildung zum Puppenspieler, etwa an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin.
Nach der Wende wurde diese Tradition fortgesetzt: Auch heute kann man dort Figurentheater studieren. Daneben gibt es noch eine weitere Hochschule in Deutschland, an der ein ähnlicher Studiengang existiert, die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.
Bis heute hat das Figurentheater für viele Menschen nichts von seiner Faszination eingebüßt. Theaterinteressierte lassen sich von Marionetten, Marotten und anderen Handpuppen begeistern.
In den Händen von Puppenspielern, auf der Bühne, mit Licht und Ton, sind die Figuren keine bewegten Holzköpfe an Fäden, sondern werden zu Wesen. Für viele Begeisterte sind sie sogar lebendiger als die animierten Figuren in 3D Hollywood-Produktionen.