Grafische Darstellung der Schilddrüse mit vier Nebenschilddrüsen

Schilddrüse

Die Nebenschilddrüse – kleines Organ mit großer Wirkung

Die Nebenschilddrüse besteht aus vier winzigen Drüsen, die sich meist direkt neben der Schilddrüse befinden. Sie produzieren das Parathormon, das an der Regulation des Kalzium- und Phosphatspiegels in unserem Blut beteiligt ist.

Von Thomas Schwarz

So groß wie Linsen

Die Nebenschilddrüse besteht meist aus vier Drüsen, von denen jede so groß wie eine Linse ist. Sie werden auch als Epithelkörperchen bezeichnet. Alle vier Epithelkörperchen zusammen wiegen zwar nur rund 130 Milligramm, sie sind aber lebenswichtig. Sie befinden sich meist paarweise hinter und seitlich von der Schilddrüse. Wegen dieser Nähe zur Schilddrüse werden sie als Nebenschilddrüse bezeichnet.

Die genaue anatomische Lage der Epithelkörperchen kann bedingt durch die Embryonalentwicklung variieren. Sie können sogar im Brustkorb hinter dem Brustbein liegen. Auch ihre Zahl kann variieren. Es gibt Menschen, die haben nur drei Epithelkörperchen, es gibt aber auch Menschen, die haben fünf oder sechs von ihnen.

Normalerweise sind sie nicht sichtbar und bei der körperlichen Untersuchung nicht tastbar. Sie sind von einer feinen Kapsel aus Bindegewebe umgeben. Ihre Hauptzellen produzieren das Parathormon (PTH).

Das PTH beeinflusst die Knochen, die Nieren und den Dünndarm und hält dadurch die Kalzium-Konzentration im Blut im Normalbereich. Sinkt die Konzentration ab, schüttet die Nebenschilddrüse vermehrt PTH aus. Dadurch werden Knochen abgebaut, so dass Kalzium und Phosphat aus den Knochen ins Blut gelangen.

Im Dünndarm wird mehr Kalzium aufgenommen und in den Nieren weniger Kalzium ausgeschieden. All das führt dazu, dass die Kalzium-Konzentration im Blut steigt. Gleichzeitig beeinflusst PTH die Nieren, so dass vermehrt Phosphat mit dem Urin ausgeschieden wird.

Ist die Kalziumkonzentration im Blut hoch, wird die Ausschüttung des PTH gehemmt. Außerdem spielt das PTH eine Rolle bei der Regulation des Magnesiumspiegels im Blut, denn es fördert im Darm die Aufnahme von Magnesium aus der Nahrung.

Neben den Hauptzellen gibt es in den Epithelkörperchen weitere Zellen, die sogenannten oxyphilen Zellen. Sie entstehen erst nach der Geburt und werden mit steigendem Lebensalter zahlreicher. Ihre Funktion ist bislang unklar.

Grafische Darstellung des Parathormons PTH

Das Parathormon (PTH) reguliert die Kalzium-Konzentration im Blut

Überfunktion der Nebenschilddrüse

Die häufigste Erkrankung der Nebenschilddrüse ist ihre Überfunktion, die auch als Hyperparathyreoidismus bezeichnet. wird. Ursache sind meist gutartige Tumore des Drüsengewebes in einem oder mehreren Epithelkörperchen, sogenannte Adenome. Ganz selten sind sie bösartig und werden dann als Adenokarzinome bezeichnet.

Durch die Überfunktion der Nebenschilddrüse gelangt zu viel PTH ins Blut. Das führt zu vermehrtem Abbau der Knochen und zu einem Anstieg der Kalzium-Konzentration im Blut. Die Folgen sind Knochenschmerzen und vermehrter Harndrang, aber auch die Bildung von Nierensteinen durch das Kalzium, das mit dem Blut in den Nieren gelangt.

Weitere typische Beschwerden sind Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen, starker Durst, Muskelschwäche, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung, Schmerzen im Oberbauch und Verstopfung. Es kann auch zu Geschwüren im Zwölffingerdarm kommen und zur Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Darüber hinaus können die Patienten depressiv und schneller körperlich und geistig müde werden.

Festgestellt wird der Hyperparathyreoidismus anhand von Blut- und Urinuntersuchungen, mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung oder einer Radionukleotid-Szintigraphie der Epithelkörperchen. Dabei wird dem Patienten eine radioaktive Substanz in eine Vene gespritzt und anschließend mit einer speziellen Kamera gemessen, wie schnell und wie stark die Substanz von den Epithelkörperchen aufgenommen wird. Ein Computer erstellt anhand der Messwerte ein Bild von den Epithelkörperchen, das Szintigramm.

Behandelt wird der Hyperparathyreoidismus in der Regel, indem das Adenom bzw. Karzinom operativ entfernt wird.

Grafische Darstellung eines Adenoms in der Nebenschilddrüse

Ein Adenom wird in der Regel operativ entfernt

Unterfunktion der Nebenschilddrüse

Bei einer Unterfunktion der Nebenschilddrüse kommt es zu einem Mangel an PTH. Ursache ist meist eine Operation am Hals, wie etwa eine Schilddrüsenoperation. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft von Nebenschilddrüse und Schilddrüse kann es sein, dass Epithelkörperchen bei Hals-Operationen beschädigt oder mit entfernt werden.

Weitere Ursachen eines Mangels an PTH können Autoimmunerkrankungen der Nebenschilddrüse sein. Dabei bildet das körpereigene Immunsystem Antikörper, die die Zellen der Nebenschilddrüse angreifen.

Durch den PTH-Mangel gelangt viel Kalzium über die Nieren in den Urin und wird ausgeschieden, so dass die Kalzium-Konzentration im Blut sinkt. Gleichzeitig steigt die Konzentration von Phosphat im Blut, da es vermindert ausgeschieden wird. Dadurch sind die Muskeln unseres Körper übererregbar.

Als Folge kann es zu schmerzhaften Muskelkrämpfen mit sogenannter Pfötchenstellung der Hände kommen. Man spricht auch vom hypokalziämischen Krampfanfall (Tetanie). Er kann Minuten bis Stunden dauern und wird mit Kalzium behandelt, das in eine Vene gespritzt wird und dadurch sofort in den Blutkreislauf gelangt. Die Muskelkrämpfe sind dann meist schnell beendet.

Darüber hinaus können die Beschwerden vielfältig sein. Es kann zu Atemnot, Durchfällen und gesteigertem Harndrang kommen sowie zur Verkalkung von Organen, wenn sich überschüssiges Phosphat mit Magnesium oder Kalzium verbindet und in den Organen einlagert. Am Auge kann dies zu einer Trübung der Linse führen, die auch als Katarakt oder Grauer Star bezeichnet wird.

Verkalkungen im Gehirn können Krampfanfälle auslösen. Die Patienten können dann wie bei einem epileptischen Anfall zu Boden sinken, ihre Muskeln zucken oder sind verkrampft. Zudem kann es zu seelischen Veränderungen wie depressiven Verstimmungen und Reizbarkeit kommen. Nicht selten sind Funktionsstörungen von Nieren und Herz.

Feststellen lässt sich der PTH-Mangel durch Untersuchungen des Blutes. Zusätzlich sollten die Knochen geröntgt sowie Herz und Nieren mit Ultraschall untersucht werden. Auch ein Elektrokardiogramm (EKG) ist zur Untersuchung des Herzens sinnvoll.

Behandelt wird die Unterfunktion der Nebenschilddrüse mit Vitamin D und Kalzium. Beides müssen die Betroffenen lebenslang einnehmen. Dann sind sie beschwerdefrei und können ein weitgehend normales Leben führen. Allerdings lassen sich etwaige Organverkalkungen und Trübungen der Augenlinse nicht wieder rückgängig machen.

Damit die Patienten nicht zu viel Vitamin D und Kalzium einnehmen, muss der behandelnde Arzt die Konzentrationen von Kalzium und Phosphat im Blut und die Konzentration von Kalzium im Urin regelmäßig überprüfen, in der Anfangsphase der Therapie sogar täglich, anschließend zwei Mal im Jahr. Zusätzlich sollten die Patienten einmal im Jahr ihre Augen untersuchen lassen, damit eine Linsentrübung frühzeitig erkannt werden kann.

Tabelttenblister und der Schriftzug "Vitamin D"

Patienten mit einer Nebenschilddrüsen-Unterfunktion müssen lebenslang Vitamin D einnehmen

(Erstveröffentlichung 2020. Letzte Aktualisierung 15.12.2020)

UNSERE QUELLEN

  • "Benninghoff - Anatomie", Band 2, Herausgeber: K. Fleischhauer, J. Staubesand und W. Zenker, 13./14. Auflage, 1985, Verlag Urban & Schwarzenberg
  • "Rauber/Kopsch - Anatomie des Menschen", Band II, Innere Organe, Herausgeber: H. Leonhardt, B. Tillmann, G. Töndury und K. Zilles, 1. Auflage, 1987, Georg Thieme Verlag Stuttgart
  • "Physiologie des Menschen", R.F. Schmidt, G. Thews, 23. Auflage, 1987, Springer-Verlag Berlin Heidelberg
  • "Taschenatlas der Physiologie", S. Silbernagl, A. Despopoulos, 2. Auflage, 1983, Georg Thieme Verlag Stuttgart
  • "Innere Medizin", M. Classen, V. Diehl, K. Kochsiek, 5. Auflage, 2003, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München
  • "Innere Medizin (Ausgabe 2020)", Gerd Herold und Mitarbeiter, Gerd Herold Köln

Quelle: WDR

Darstellung: