Eine Wanderratte.

Ratten

Biologie der Ratte

Ratten sind intelligent, anpassungsfähig, haben eine ausgeklügelte Sozialstruktur und sind äußerst vermehrungsfreudig. Deshalb haben sie sich auf der ganzen Welt verbreitet.

Von Susanne Decker

Typisch Nager

Mit weit über 2000 Arten sind die Nagetiere, zu denen auch die Ratten gehören, eine der erfolgreichsten und größten Gruppen unter den Säugetieren. Charakteristisches Merkmal ist ihr Gebiss, das sich speziell für das Nagen entwickelt hat.

In Ober- und Unterkiefer sind je ein Paar Schneidezähne tief im Knochen eingebettet. Eine dicke Schicht Zahnschmelz macht sie besonders hart.

Die Nagezähne wachsen ständig nach und durch gegenseitiges Aneinanderschleifen werden sie messerscharf. Nage- und Backenzähne sind durch eine große Lücke getrennt. Mit einem solchen Gebiss können die Tiere sogar Hartkunststoffe und Metalle wie Blei, Aluminium, Kupfer und Weißblech durchnagen. Hautfalten hinter den Schneidezähnen verhindern, dass Ungenießbares oder Bitterstoffe in die Mundhöhle geraten.

Weltweit sind mehr als 50 verschiedene Rattenarten bekannt. In Deutschland ist vor allem die Wanderratte (Rattus norvegicus) heimisch. Die Hausratte (Rattus rattus) ist inzwischen selten geworden.

Die Ratte – eine "echte Maus"

Wer Mäuse süß findet, dürfte sich streng genommen eigentlich nicht vor Ratten ekeln. Die Gattung Ratte (Rattus) gehört ebenso wie die Gattung Maus (Mus) zur Unterfamilie der "echten Mäuse" (Murinae). Bei uns in Deutschland sind zwei Arten heimisch geworden: die Hausratte (Rattus rattus domesticus) und die Wanderratte (Rattus norvegicus).

Verglichen mit der Wanderratte ähnelt die Hausratte mehr einer Maus. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 16 bis 24 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 250 Gramm ist sie kleiner als die Wanderratte.

Die ist im Schnitt zehn Zentimeter größer und mit einem Gewicht von bis zu 580 Gramm wesentlich schwerer als die Hausratte. Das Fell der Wanderratte ist bräunlich gefärbt, das der Hausratte ist schwarz, deshalb gibt es auch die Bezeichnung "Schwarze Ratte".

Eine graue Ratte.

Ratten und Mäuse sind enge Verwandte

Haus- und Wanderratte haben unterschiedliche Vorlieben

Haus- und Wanderratten sind Allesfresser. Die Hausratte bevorzugt jedoch pflanzliche Kost, während Wanderratten auch gerne mal einen Happen Fleisch zu sich nehmen. Da Wanderratten hervorragend schwimmen und tauchen können, rundet ab und zu auch frischer Fisch den Speiseplan ab.

Bei der bevorzugten Wohnlage gibt es bei Haus- und Wanderratte erhebliche Unterschiede. Warme und trockene Plätzchen in den oberen Etagen sind sehr nach dem Geschmack der Hausratten.

Dachgeschosse dienen heute allerdings oft nicht mehr als Vorrats- oder Abstellraum, sondern werden zum Wohnraum ausgebaut. Das ist mit ein Grund dafür, dass die Hausratte in Mitteleuropa inzwischen vom Aussterben bedroht ist.

Wanderratten haben es dagegen bei uns so richtig gut. Sie leben bevorzugt im Untergrund und legen sich weitverzweigte unterirdische Gangsysteme an. Bequemer ist natürlich die Kanalisation: ein wahres Rattenparadies!

Feine Sinne für die Dämmerung

Ratten sind dämmerungsaktive Tiere. Ihre Sinne sind optimal auf lichtarme Verhältnisse angepasst. Ratten sehen im Allgemeinen nicht sehr gut, dafür sind Tast-, Geruchs- und Gehörsinn hervorragend ausgebildet.

An der Schnauze und über den Augen befinden sich lange Tasthaare, auch Vibrissen genannt. Sogenannte Leithaare sind über den ganzen Körper verteilt. Vibrissen und Leithaare ermöglichen der Ratte eine ausgezeichnete Orientierung, auch im Dunkeln.

Nahaufnahme einer Ratte.

Die Tasthaare dienen zur Orientierung

Der wohl wichtigste Rattensinn ist aber die Nase. Deshalb bezeichnet man Ratten auch als Makrosmaten, was soviel bedeutet wie "große Riecher". Nahrungsspuren über große Entfernungen zu orten, ist für sie kein Problem. Auch Rudelmitglieder werden am Geruch erkannt und das Revier wird mit Duftspuren markiert.

Die Ohren der Ratte sind beweglich und nehmen die Geräusche aus der Umgebung wie kleine Schalltrichter auf. Der Gehörsinn ist ausgezeichnet. Sogar Töne, deren Wellenlänge über 20 Kilohertz liegt, also im Ultraschallbereich, kann die Ratte hören.

Von wegen nackt – der Rattenschwanz

Der Rattenschwanz hat ein schlechtes Image und trägt wesentlich zum Ekeleffekt bei, den die Ratte bei vielen Menschen auslöst. Doch der Rattenschwanz ist alles andere als nackt. Er ist von zahlreichen Schuppenreihen umgeben, dazwischen wachsen Haare, die als feine Antennen bei der Orientierung helfen.

Der Schwanz dient der Ratte dazu, beim Klettern die Balance zu halten. So werden hochseilakrobatisch anmutende Kletteraktionen möglich und die Taue am Hafen ein bequemer Steg zu den Lagerräumen der Frachter. Zusätzlich hilft der Ratte beim Klettern ein hochentwickeltes Gleichgewichtsorgan im Innenohr.

Aber nicht nur zum Klettern braucht die Ratte ihren Rattenschwanz. Über ihn wird auch die Körpertemperatur geregelt.

Gemeinsam sind sie stark

Ratten haben einen ausgeprägten Sinn fürs Familienleben. So ein Dasein in einer Großfamilie bietet Schutz vor Feinden, Futterquellen werden schneller entdeckt und von Vorkostern auf Genießbarkeit getestet.

Daneben ist es auch leichter und sicherer, den Nachwuchs gemeinsam großzuziehen. Auch lässt es sich zusammen schön kuscheln und man wird angenehm von seinen Artgenossen gekrault.

Aber Ratten können auch ausgesprochene Individualisten sein, da kann es schon mal zum Streit kommen. Deshalb gibt es in einer Rattenfamilie eine strenge hierarchische Ordnung. In harten Kämpfen wird die Stellung innerhalb der Gruppe festgelegt und bestimmt, wer was zu sagen hat.

Um Konflikte zu lösen oder schon im Vorfeld zu vermeiden, verfügen Ratten über ein reichhaltiges Repertoire an Verhaltensformen, Lautäußerungen und Duftsignalen. Ratten leben in freier Natur in Gruppen von bis zu 200 Einzeltieren zusammen.

Kleine Ratten auf einem Haufen.

Ratten fühlen sich in der Gruppe am wohlsten

Erfolgsmodell der Evolution

Ratten werden schon im Alter von sechs Wochen geschlechtsreif. Die Tragzeit eines Rattenweibchens beträgt nur drei Wochen und nach der Geburt ist die frischgebackene Rattenmama bereits wieder empfängnisbereit. Ein Rattenpärchen kann so innerhalb von zwei Wochen 100 Nachkommen produzieren.

Unter günstigen Umweltbedingungen können aus zwei Ratten rein theoretisch innerhalb eines Jahres bis zu 2000 werden.

Aber nicht nur in puncto Nachkommen sind sie unschlagbar – auch bei Intelligenztests schneiden Ratten hervorragend ab. Und ihre Neugierde, die ihnen schnell neue Lebensräume und Nahrungsressourcen erschließen kann, ist gepaart mit Vorsicht, so werden gefährliche Zwischenfälle vermieden. Dazu kommt noch ein robuster Körper. Insofern kann man die Ratte als Erfolgsmodell der Evolution bezeichnen.

Eine Rattenmama mit drei Babys.

Vermehrungsfreudige Nagetiere

Quelle: SWR | Stand: 10.01.2020, 11:30 Uhr

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