Strenge Arbeitsteilung im Ameisenvolk
Einer der Gründe für den enormen Erfolg der Ameisen ist, dass sie in gut funktionierenden Staaten organisiert sind. Die Anzahl der Tiere in einem Volk schwankt zwischen wenigen Hundert und mehreren Millionen.
Ameisen einer Art werden in so genannte Kasten gegliedert, die sich äußerlich deutlich voneinander unterscheiden: geschlechtlich aktive Weibchen (Königinnen), Arbeiterinnen und Männchen.
Wie Wespen und Bienen gehören auch die Ameisen zur Gruppe der Hautflügler. Doch nur die geschlechtlich aktiven Weibchen und die Männchen tragen Flügel. Die Arbeiterinnen bleiben flügellos.
Die geschlechtlich aktiven Weibchen sind am größten und tragen bis zur Begattung Flügel. Nachdem die Männchen sie in der Luft begattet haben, werfen die Weibchen ihre Flügel ab und gründen als Königinnen einen neuen Staat oder gliedern sich in ein anderes Volk ein.
Die Männchen sterben nach dem Begattungsflug. Am kleinsten sind die geschlechtlich unterentwickelten Weibchen, die Arbeiterinnen.
Die drei Kasten sind in ihrem Staat auf bestimmte Aufgaben spezialisiert: Die Männchen sorgen ausschließlich für die Befruchtung der Königinnen. Die Königinnen – von denen in einem Nest auch mehrere leben können – sorgen für die Nachkommen.
Die Arbeiterinnen erledigen alle übrigen Aufgaben: Sie gehen auf Futtersuche, bauen das Nest, versorgen Brut und Königin mit Nahrung und verteidigen den Bau gegen Angreifer.
Jedes Individuum hat dabei eine bestimmte Aufgabe, die jedoch nach Bedarf auch gewechselt werden kann. Je nachdem welche Arbeit den einzelnen Ameisen zugeteilt ist, kann sich auch die Gestalt der Tiere deutlich voneinander unterscheiden. So besitzen etwa die Nestverteidiger besonders kräftige Oberkiefer.
Die Königin und die Nachkommen
Trotz ihrer hohen Stellung hat sie vielleicht die schwerste Arbeit zu erledigen: Die Königin legt vom Frühling bis zum Herbst ununterbrochen Eier. 20 Jahre lang kann beispielsweise die Königin der Roten Waldameise leben. In dieser Zeit legt sie rund eine Million Eier, also mehr als 100 pro Tag.
Den Rekord hält allerdings die Treiberameise Dorylus nigricans, deren Königinnen allein in einem Jahr jeweils 50 Millionen Eier produzieren. Doch das geht nicht ohne Hilfe. Die Arbeiterinnen umhegen die Königinnen die ganze Zeit. Sie bringen ihr Futter und kümmern sich sofort nach der Eiablage um die Brut.
In der Regel gründet eine Königin nach der Begattung einen neuen Staat. In manchen Fällen gliedern sich die Königinnen auch einfach in ein anderes Volk ein, um hier ihre Brut pflegen zu lassen.
Die Wissenschaft nennt dieses Handeln "Sozialparasitismus". Dabei wird die Königin von einem fremden Volk aufgenommen und kommt in den Genuss der gleichen Dienstleistungen wie die Königinnen des Wirtsvolkes. Der Vorteil: Verglichen mit einer neuen Koloniegründung kann das Volk so schneller und sicherer wachsen.
Architektonische Meisterleistungen
Ameisen nisten fast überall: in Erdlöchern, unter Steinen, in Holz oder hohlen Pflanzenstängeln. Sie gründen ihre Nisthaufen auf der Erde, bauen Nester aus Karton oder gewobenen Blättern. Ameisenbauten bestehen in der Regel aus verzweigten Gängen und mehreren Kammern, in denen Vorräte gespeichert und die Nachkommen versorgt werden.
Viele Ameisenarten sind wärmeliebend, auch die Eier und Larven mögen es warm. Daher herrscht in den Bauten ein konstantes Klima. Wird es zu heiß, sorgen die Ameisen durch den Bau von Luftlöchern für Kühlung. Ist es zu kalt, bringen die Tiere Wärme von außen herein: Sie sonnen ihre dunklen Körper und geben die aufgenommene Wärme im Nest wieder ab.
Je nach Art fällt das Zuhause der Ameisen ganz unterschiedlich aus: Die Gelbe Wiesenameise (Lasius flavus) baut eine Erdkuppel, die häufig von Gras überwachsen ist und als Ameisenbau nicht sofort auffällt.
Die Glänzendschwarze Holzameise (Lasius fuliginosus) passt ihr Nest den äußeren Gegebenheiten an. Sie bevorzugt hohle Baumstämme, in deren Holz sie zunächst Hohlräume nagt. Diese befüllt sie mit einer Masse aus zerkautem Holz und Zucker. Ein von der Ameise gezüchteter Pilz dringt zusätzlich in die Hohlräume ein und verfestigt diese. Fertig ist das Kartonnest.
Eine geniale Konstruktion ist das aus zusammengenähten Blättern bestehende Nest der Weberameise: Dazu ziehen Arbeiterinnen, die eine Kette bilden, die Blätter am Baum zusammen.
Andere Arbeiterinnen halten die Ameisenlarven, die aus sogenannten Spinndrüsen einen Faden liefern, an die Blattkanten. Anschließend weben sie dann die Blätter mit den von den Larven produzierten Seidenfäden zusammen.
Ameisen als nützliche Helfer
Ameisen sind Landschaftspfleger, denn ohne sie wären weite Landstriche karg und fast ohne Grün: Sie lockern mit ihren Gängen den Boden auf und ermöglichen es damit Pflanzen, besser Wurzeln zu schlagen. Durch die Umschichtung des Bodens fördern sie auch die Bildung von fruchtbarem Humus.
Vor allem in den Tropen zeigt sich, dass den kleinen Tieren die Vorarbeit zur Besiedlung von Brachlandschaften durch Pflanzen zukommt. Fehlen die Ameisen, können Pflanzen nur schwer sesshaft werden und der Boden wird schnell durch Regengüsse abgetragen.
Die fleißigen Insekten tragen auch zur Verbreitung von Pflanzensamen bei. Waldameisen beispielsweise transportieren die Saat von rund 150 Pflanzenarten. Ameisen säubern zudem den Wald und transportieren tote Tiere ab.
Und noch wichtiger: Als räuberisch lebende Tiere vernichten sie Schädlinge in großen Mengen. Außerdem sind sie Nahrungsgrundlage für viele andere Tiere, wie Kröten, Vögel, Eidechsen oder Spinnen.
(Erstveröffentlichung 2004, letzte Aktualisierung 17.03.2020)