Gelber Frauenschuh

Orchideen

Was ist eine Täuschblume?

Blumen, die Insekten eine Belohnung versprechen, nennen Botaniker Täuschblumen. 90 Prozent aller Täuschblumen sind Orchideen. Um bestäubt zu werden, imitieren ihre Blüten das Aussehen anderer Pflanzen oder das von paarungsbereiten Insektenweibchen.

Von Bärbel Heidenreich

Warum täuschen manche Pflanzen die Insekten?

Viele Pflanzen locken Insekten an, um bestäubt zu werden – und belohnen die Insekten dafür mit Nektar. Bei vielen Orchideen aber gibt es nur den süßen Duft, aber keinen Nektar.

Wissenschaftler von der Universität Zürich gehen davon aus, dass die Orchideen ursprünglich mit ihrem Duft vor allem ihre Feinde abwehren wollten. Denn offenbar besitzen viele der Duftmoleküle die Eigenschaft, Mikroben abzuhalten.

Bei der einheimischen Orchidee "Wohlriechende Händelwurz" besteht der Duft aus 44 Substanzen. Aber nur sieben davon wirken anziehend auf ihren Bestäuber, einen Schmetterling. Das Insekt, das einmal hereingefallen ist, lernt zwar daraus und besucht diese Blüte nicht wieder. Doch es fällt auf die nächsten Blüten herein, denn jede präsentiert sich mit ihren individuellen Farb- und Duftnuancen.

Während die meisten Orchideen ein süßes Nahrungsangebot vortäuschen, schaffen es einige sogar, andere Pflanzen oder Tiere zu imitieren. Ihr Blütenduft gleicht Aas-, Dung- oder Pilzgeruch. Damit ziehen sie Fliegen, Mücken und Käfer an.

Ganz raffiniert ist eine Orchidee namens "Bulbophyllum lobbii". Sie täuscht vor, ein Ständerpilz zu sein. Nicht nur ihr Geruch gleicht dem Pilz, auch ihre Lippe sieht aus wie sein Pilzhut. Wenn dann eine Mücke anfliegt und sich auf den vermeintlichen Hut setzt, um dort ihre Eier abzulegen, klappt dieser um und drückt das ahnungslose Insekt in die Geschlechtsorgane der Blüte. Die Bestäubung klappt, die Eiablage aber nicht.

Gelbe Blüte der Orchidee Bulbophyllum lobbii

Die Orchidee "Bulbophyllum lobbii" lockt mit einem Trick Mücken an

Wie täuschen die Pflanzen?

Die verschiedenen Ragwurzarten haben sich eine listige Verführungstaktik für Insekten zugelegt. Diese Orchideen findet man im Mittelmeerraum auf busch- und baumarmen Flächen, die von einem Auwald umgeben sind. Dort herrscht im Sommer ein warmes und trockenes Mikroklima – ideal für Fliegenragwurz, Bienenragwurz, Hummelragwurz und Spinnenragwurz.

Ihre Namen weisen auf ihre Spezialität hin. So produziert zum Beispiel die Bienenragwurz ein Duftstoffgemisch, das dem Duft weiblicher Bienen entspricht. Zudem sieht die Blüte dieser Orchidee wie der Hinterleib einer weiblichen Biene aus und fühlt sich auch so an. Die Blüte besitzt nämlich den gleichen Haarstrich wie die Biene.

Bienenragwurz von der Seite aufgenommen

Der Name verrät, wen die Bienenragwurz imitiert

Vom Geruch angelockt, stürzt sich das männliche Tier auf die Blüte, um sie zu begatten. Beim Paarungsversuch heftet die Orchidee ihrem Täuschungsopfer Pollensäcke an. Das betrogene Insekt flieht.

Während es normalerweise alle nebenstehenden Blüten nacheinander besuchen würde, verlässt es den Ort. Aber auf der nächsten Wiese fällt das männliche Insekt schon wieder auf die Täuschung herein, denn jede Blüte strömt einen individuellen Duft aus. Dort bestäubt sie dann erfolgreich die Blüte mit ihren mitgebrachten Pollensäcken.

Die Orchideengattung Oncidium aus den amerikanischen Tropen provoziert sogar Territorialkämpfe. Bewegen sich die Blüten mit dem Aussehen und dem Duft von Bienen im Wind, stürzen sich die echten Bienen auf die vermeintlichen Feinde, um ihr Revier zu verteidigen. Dabei bestäuben sie die listige Täuschblume.

Gelbe Blüte der Orchidee Oncidium cebolleta

Bienen streiten sich um die Orchidee Oncidium cebolleta

Auch einen "attraktiven Herrenduft" für die paarungsbereite männliche Prachtbiene bietet eine Orchideenart an. Das männliche Tier benutzt den Blütenduft der Coryanthes-Orchidee als Parfüm, um damit potenzielle Geschlechtspartnerinnen auf sich aufmerksam zu machen.

Welchen Vorteil bringt das für die Evolution?

Forscher schätzen, dass sich 70 Prozent der Orchideen nur noch von jeweils einer Spezies bestäuben lassen, einer bestimmten Vogel- oder Schmetterlings-, Hummel- oder Fliegenart. Da läuft die Täuschblume natürlich Gefahr, dass die bestäubenden Insekten irgendwann ausbleiben, wenn die Täuschung auffliegt.

Um das zu vermeiden, muss sie ihre Täuschungen immer wieder neu dem speziellen Insekt anpassen. Durch die fortlaufende Veränderung hat sich die Orchidee in ihrer Evolutionsgeschichte zur artenreichsten Familie innerhalb der Blütenpflanzen entwickelt.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 17.02.2020)

Quelle: WDR

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