Im Forschungsgebäude befinden sich zahlreiche Wohn- und Büroeinheiten, die der Erforschung innovativer und nachhaltiger Gebäudekonzepte dienen. So ist das Gebäude mit dem sogenannten "Water Hub" der Eawag ausgestattet, einem Forschungsprojekt zur lokalen Abwasseraufbereitung, dessen Ziel es ist, das entstehende Abwasser optimal wiederzuverwenden.
Planet Wissen: Was erforschen Sie im Water Hub?
Carina Doll: Abwasser ist eine wertvolle Ressource und kein Abfall. Im Water Hub verfolgen wir das Ziel, Technologien zu entwickeln, um genau diese Ressourcen aus dem Abwasser zurückzugewinnen und dezentral aufzubereiten. Dazu ist es wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, Wasserkreisläufe und Nährstoffkreisläufe zu schließen.
Unsere Forschung zielt dahin, dass wir die Wasser- bzw. Abwasserkreisläufe im Gebäude lokal schließen können und Ressourcen lokal zur Verfügung stellen, also in unserem Fall direkt im Keller des Gebäudes. Da steht auch der Water Hub und dort wird das Abwasser je nach Verschmutzung aufbereitet.
Welche Arten von Abwasser unterscheiden Sie?
Leicht bis mäßig verschmutze Abwässer nennen wir "Grauwasser". Dazu gehört etwa das Abwasser aus Waschbecken und Dusche, was wir als "leichtes Grauwasser" bezeichnen, denn es ist nur leicht mit Seife und anderen Rückständen verschmutzt. Alles was aus der Küche kommt, bezeichnen wir als "schweres Grauwasser", denn hier kommen noch Öle und Fette dazu, die andere Reinigungsschritte erfordern.
Urin nennen wir "Gelbwasser" und Fäkalien heißen bei uns "Schwarzwasser". Diese vier Abwasserströme trennen wir direkt dort, wo sie entstehen, in jeweils eigenen Abwasserleitungen auf und bereiten sie dann in unterschiedlichen Anlagen zu Weiterverwendung auf.
Wie kann man sich die Abwasser-Aufbereitung vorstellen?
Bei der Grauwasser-Aufbereitung ist es wichtig, mehrere Barrieren in die Behandlungen oder Aufbereitungsschritte zu integrieren. Im Water Hub machen wir das momentan so, dass wir einen Membran-Bioreaktor einsetzen, also ein biologisches und ein membranbasiertes Aufbereitungsverfahren, gefolgt von einem Aktivkohlefilter. Im Bioreaktor bauen Bakterien einen großen Teil der Verschmutzungen ab, die nachgeschaltete Membran hält Viren und Bakterien zurück.
Im Aktivkohlefilter werden dann noch verbliebene organische Stoffe rausgefiltert. Danach ist es wichtig, dass man das Wasser auch noch desinfiziert, bevor es wiederverwendet wird. Je nach Systemkonfiguration kann es dann zur Toilettenspülung oder in Zukunft sogar zum Duschen verwendet werden.
Der Urin wird zuerst in einem Speichertank gelagert. Danach wird in einem Reaktor der Stickstoff im Urin stabilisiert, dabei verliert er seinen unangenehmen Geruch. In einem Aktivkohlefilter werden die Mikroverunreinigungen rausgefiltert, und zum Schluss wird die Flüssigkeit dann konzentriert. Heraus kommt am Ende ein extrem nährstoffreiches Konzentrat.
Bei der Schwarzwasser-Aufbereitung wird zuerst der Fäkalschlamm entwässert. Das ist technisch eine große Herausforderung, an deren Optimierung wir momentan noch forschen. Danach wird dieser entwässerte Fäkalschlamm gepresst und getrocknet.
Wie sieht die Weiterverwendung konkret aus?
Der Einsatz von aufbereitetem Grauwasser ist sehr breit. Das kann man beispielsweise für die Bewässerung des Gartens verwenden oder für die Toilettenspülung. Oder wie gesagt im Idealfall kann es sogar zum Duschen verwendet werden, dann ist das Einsparpotential besonders groß.
Der aufbereitete Urin, das Gelbwasser, kann wegen seines hohen Nährstoffgehalts als Pflanzendünger verwendet werden. Das Eawag Spin-off "Vuna" ist hier schon so weit, dass sie diesen Dünger herstellen und verkaufen.
Bei den Fäkalien, dem Schwarzwasser, ist das Ziel, dass wir die enthaltene Energie rückgewinnen. Konkret wollen wir daraus Pellets herstellen, die sich verbrennen lassen und so zur Wärmegewinnung einsetzen lassen.
Wie viel Wasser lässt sich mit Ihren Technologien einsparen?
Das Einsparpotenzial ist stark davon abhängig, für welche Technologie man sich entscheidet. Wenn wir das Grauwasser aufbereiten und lokal wiederverwenden, also auf Gebäudeebene den Wasserkreislauf schließen dann können wir mehr als 50 Prozent des Frischwassers einsparen.
Wo liegen für Sie im Moment die größten Herausforderungen?
Eine Herausforderung, die wir momentan in der Forschung betrachten und untersuchen, ist beispielsweise bei der Grauwasser-Aufbereitung die Online-Überwachung der Prozesse, sodass wir jederzeit online die Wasserqualität beurteilen können und die Hygiene sicherstellen können. Eine weitere Herausforderung sind die großen Unterschiede in der Zusammensetzung der Abwässer, beispielsweise im Schwarzwasser. Dort variiert es sehr stark, wie sich dieses Abwasser zusammensetzt und das macht dann eine Aufbereitung sehr herausfordernd.
Ändert sich für die BewohnerInnen eines Gebäudes mit Ihren Technologien etwas?
Für die Bewohnerinnen und Bewohner des Gebäudes ändert sich eigentlich sehr wenig. Die Toiletten, Duschen, Wasch- und Spülbecken entsprechen in der Benutzung den herkömmlichen Installationen. Wir trennen ja nur das Abwasser. Wir geben den Bewohnerinnen und Bewohnern auch keine Empfehlungen für Shampoos oder Spülmittel, die sie verwenden sollen. Im Gegenteil, wir wollen, dass unsere Systeme robust sind, dass sie also mit allen Abwässern, die entstehen umgehen können.
Bei der Reinigung der Toiletten ist es allerdings wichtig, dass man dort keine sehr starken Reinigungsmittel verwendet, die dann negative Effekte auf die Bakterien in den Reaktoren haben könnten. Deshalb setzen wir dort beispielsweise auf Zitronensäure. Aber das ist überhaupt kein Problem.
Was ist Ihr langfristiges Ziel?
Mit unterschiedlichen Systemkonfigurationen wollen wir in Zukunft auf lokale Bedingungen eingehen können. Befinden wir uns zum Beispiel in einem Gebiet, wo wir starke Wasserknappheit haben, dann können wir mit diesen Technologien das Grauwasser so weit aufbereiten, dass das aufbereitete Wasser lokal wiederverwendet werden kann. Mit solchen Lösungen könnte man dann eine Wasserquelle zur Verfügung stellen, um die grüne Infrastruktur zu bewässern und so wiederum einen lokalen Kühlungseffekt zu erzeugen.
Wo laufen bereits heute schon solche Anlagen? Wo können sie grundsätzlich eingesetzt werden?
In Gebieten, die bereits große Wasserknappheit erlebt haben, zum Beispiel in San Francisco, sehen wir bereits mehrere Grauwasser-Aufbereitungsanlagen im Einsatz. Aber auch hier in der Schweiz gibt es einzelne Wohngenossenschaften, die ähnliche Sanitärsysteme installiert haben. Wir beobachten immer häufiger den Einsatz solcher Lösungen, die Ressourcen-Kreisläufe schließen.
Es ist ein komplexes Thema und es gibt eine Reihe von Abhängigkeiten der einzelnen Abwasserströme und Technologien untereinander. Wir finden es deshalb wichtig, dass man eine breite Palette an Lösungen zur Verfügung hat, sodass man für jeden Kontext entscheiden kann, was jetzt die passende Technologie ist. So kann man die Systeme kombinieren, die lokal Sinn machen.
(Interview geführt am 25.01.2022)