Die Eroberung des Meeres
Den portugiesischen und spanischen Seefahrern im 15. und 16. Jahrhundert ging es zunächst darum, einen Seeweg nach Indien zu finden. Gewürze waren zu dieser Zeit in Europa sehr beliebt und eine äußerst lukrative Einnahmequelle.
Ein Großteil der Gewürze kam vom indischen Subkontinent, war aber über Land nur sehr schwierig und langwierig zu beschaffen. Die Europäer wollten den gefährlichen Landweg verlassen – also die Handelsrouten, die durch den Orient und weite Strecken Asiens führten – und das Handelsgut lieber über den vermeintlich ungefährlicheren Seeweg nach Europa bringen.
Als Erste versuchten portugiesische Seeleute unter Federführung von Heinrich dem Seefahrer im Auftrag der portugiesischen Krone, Afrika zu umschiffen. Die Portugiesen leisteten Pionierarbeit auf dem bis dato unbekannten Terrain der Schifffahrt auf hoher See. Sie entwickelten Geräte und Techniken, um die Richtung der Passat- und Westwinde oder den Breitengrad über die Position der Sterne zu bestimmen.
Heinrich der Seefahrer
Als Vasco da Gama 1498 vor der indischen Stadt Kalikut ankerte, hatte er für sein Vaterland Portugal den Seeweg nach Indien entdeckt. Goa wurde zur Hauptstadt des portugiesischen Kolonialreiches, das Tor zu den indischen Reichtümern stand offen.
Im Vertrag von Tordesillas wurde 1494 etwa 1770 Kilometer westlich der Kapverdischen Inseln eine künstliche Linie gezogen, die die Welt in eine spanische und eine portugiesische Hemisphäre aufteilte. Die Spanier bekamen den westlich davon gelegenen Teil zugesprochen, während die Portugiesen sich auf den östlichen Teil konzentrierten.
Das Geschäft mit den Gewürzen
Während seiner Weltumsegelung 1519-1521 wollte der Seefahrer Ferdinand Magellan auf dem Westweg die Molukken erreichen, also die legendären Gewürzinseln. Hier wuchsen Zimt, Gewürznelken, Pfeffer und Muskatnuss.
Die Gewürze waren zu dieser Zeit unendlich kostbar und in Europa ließ sich damit ein Vermögen verdienen. Selbst wenn nur ein einziges mit Gewürzen beladenes Schiff sicher wieder in Europa landete, machte es den Reeder und den Kapitän zu reichen Männern.
Das Leben an Bord war sehr hart. Gerade zu Beginn der großen Entdeckerfahrten kamen viele Seeleute nie mehr nach Hause zurück. So erlebten bei der ersten Weltumsegelung von Magellan im Jahr 1521 nur 22 Männer das Ende der Expedition. 215 Seeleute starben, genauso wie Magellan selbst. Seinem Nachfolger Juan Elcano gelang es, die Molukken zu erreichen und wieder sicher nach Spanien zurückzukehren.
Viele Seeleute starben unterwegs
Das 17. Jahrhundert wurde zum Goldenen Zeitalter der niederländischen Seefahrt. Ihren Aufstieg zur Kolonialmacht verdankten die Niederländer ihren nautischen Fähigkeiten sowie der Gründung der "Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC)" und dem massiven Einsatz von Gewalt. Sie entrissen den Portugiesen ein Handelskontor nach dem anderen.
1619 gründeten die Niederländer an der Stelle des heutigen Jakarta ihre Hauptstadt im Indischen Ozean: Batavia. Von dort aus wurden die Molukken (heute Teil von Neuguinea), Java und Sumatra (heute Indonesien) zu niederländischen Besitzungen.
Britannia, beherrsche die Wellen!
England mischte sich bereits im 16. Jahrhundert unter Königin Elisabeth I. in den weltweiten Kolonialhandel ein. Der Freibeuter Francis Drake suchte einen Weg um die Südspitze Südamerikas. Letztendlich ging es ihm darum, Schiffe anzugreifen und auszurauben, die unter spanischer Flagge fuhren.
Londoner Kaufleute hatten ein großes Interesse daran, mit Indien Handel zu treiben. Die Briten ließen sich an Orten nieder, die noch nicht von den Niederländern besetzt waren, wie Madras und Bombay.
Im 18. Jahrhundert stand der indische Subkontinent unter der Kolonialherrschaft der Engländer. Sie dominierten fortan den Seehandel und bauten ihre Flotte immer weiter aus. Im Sinne des patriotischen Mottos "Britannia, beherrsche die Wellen!" ("Britannia, Rule the Waves") sicherten sie ihre Handelsinteressen auch militärisch ab.
Freibeuter Francis Drake
Die englischen Seefahrer brachten Gewürze, Edelsteine, Porzellan und besonders Tee aus China in die Londoner Docks. Die Überlegenheit im Kolonialhandel und auf hoher See verdankten die Engländer ihren Clippern. Wegen der schlanken und stromlinienförmigen Schiffsrümpfe erzielten die Clipper hohe Geschwindigkeiten, was ihnen auch den Namen "Windhunde der See" einbrachte.
Ihre legendäre Zeit war das 19. Jahrhundert. Einige Clipper wie die "Cutty Sark" kamen durch das alljährliche Tee-Rennen von China nach London zu wahrer Berühmtheit. Das Schiff, das die erste Ladung der neuen Tee-Ernte aus China in England landen konnte, erzielte einen enormen Preis für die Fracht.
Die gefährlichste Passage der Welt
Der einzige Seeweg, um vom Atlantik in den Pazifik zu segeln, führte um Kap Hoorn herum. Die Magellanstraße war wegen der Wind- und Strömungsverhältnisse nur schwer passierbar.
Erstmals gelang es dem niederländischen Seefahrer Jakob Le Maire zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die Südspitze Südamerikas zu umrunden. Im Andenken an seine niederländische Heimatstadt Hoorn nannte er den Felsen Kap Hoorn.
Für Schiffe, die in Richtung Pazifik unterwegs waren, bedeutete die Umrundung von Kap Hoorn ein ständiges Kreuzen gegen die tosenden Westwinde bei Kälte und extremem Seegang. Oft riskierten sie, Eisberge zu rammen oder auf felsigen Riffs aufzulaufen. Gefrorene Taue, überflutete Decks oder berstende Masten gehörten zum Alltag der Seeleute. Trotz der Risiken haben Tausende Segler Kap Hoorn umrundet.
Kap Hoorn
Besonders im 19. Jahrhundert war die Passage für amerikanische und europäische Kaufleute ein lohnender Handelsweg. Sie brachten Kohle, Goldgräber und Auswanderer nach Chile, Peru und zur Westküste Nordamerikas. Von dort kehrten sie mit Salpeter, Getreide, Erz und Guano nach Europa und zur Ostküste der USA zurück.
Vor allem das Salpetergeschäft beflügelte um 1900 noch einmal den Bau von Großseglern. Die Windjammer standen in großer Konkurrenz zu den Dampfschiffen, die jedoch die weiten Distanzen zu dieser Zeit aufgrund ihres Brennstoffbedarfs nicht ökonomisch fahren konnten.
Der Seehandel heute
Der Handel zwischen den großen Wirtschaftsregionen der Welt, wie Ost- und Südostasien, Nordamerika und Asien, wird zum größten Teil mit Frachtschiffen abgewickelt. Mit dem zunehmenden Welthandel wird auch der Seehandel weiter ansteigen. Mehr als 90 Prozent des interkontinentalen Warenaustausches finden durch die Handelsschifffahrt statt.
Wichtigster Rohstoff für die Industriestaaten ist Rohöl. Etwa ein Drittel des Welthandels, der über die Meere abgewickelt wird, entfällt auf den Transport von Rohöl. Durch Piraterie sind vor allen in den Regionen Südostasien, Afrika und Südamerika auch heute fast täglich Schiffe gefährdet und bedroht.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 30.09.2019)
Quelle: SWR/WDR